Volltext: Zehn Jahre mit Böcklin

BÖCKLIN UND HANS VON MAREES 169 
Sein alles waren die Griechen. Und ihm wie ihnen war 
die vorgestellte Welt lieber, stand ihnen höher als die schon 
einmal vorhandene. 
Man ist immer in Renaissance- oder (in deren Sinn) an- 
tiker Atmosphäre bei ihm, allerdings ohne dass man an Nach- 
ahmung denken könnte. 
D. h. was die Alten wollten, wissen wir ja nicht, so wenig 
wie die Quattrocentisten: wie die Skizzen und ersten Mo- 
delle ausgesehen haben mögen, die z. B. des Phidias eigenster 
Geist, verkörpert, waren, nur das enthielten, worauf es ihm 
ankam. Er musste die Sache ja dann dem Marmorarbeiter 
weitergeben etc., denn er hatte Besseres, Neues zu thun. 
Insofern sahen schon die Alten nicht den lebendigen Geist 
ihrer Meister durch und durch, so lange sie auch dessen 
fertiggestellte und an Ort und Stelle gebrachte Verkörperungen 
„intakt" bewunderten. 
Maräes' Kunst steht da  zwanzig Stufen hoch  wie in 
einem Chor (San Zeno)  mit der Krypta der Antike und 
Renaissance unter sich, an die man erst einmal glauben muss, 
und nach denen die Kirche heisst. Oben wird nur celebriert. 
Was sich in den Schiffen herumtreibt, ist unheiliges Volk. 
Böcklin: „Die Alten sind auch nur dadurch gross geworden, 
weil sie den Vorstellungen und der Anschauungsweise ihrer 
Zeit künstlerischen Ausdruck gaben. Aber wenn jemand (wie 
Marees) die „drei Grazien" macht, so malt er für uns drei 
nackte Frauenzimmer, die sich in unpassender Weise zusammen- 
drängen und sich betätscheln. Denn, was ist uns Hekuba? 
Was bedeuten für uns die drei Grazien? Welchen Platz 
nehmen sie ein in unserem Glauben und Vorstellen? Sie exi- 
stieren darin nicht trotz aller klassischen Bildung und Ein- 
bildung Gebildeter. Sie sind Nuditäten." 
Bruckmann meint im Gegensatz zu Böcklins Urteil über 
etwaige drei Grazien oder ähnliches: „Marees' Figuren sind 
nackt. Darf ich die Erde nackt sehen und darstellen, so 
kann ich auch die aus ihr hervorgegangenen Menschen dar- 
stellen, so wie sie geschaffen sind, wie sie sind, ohne den 
wechselnden Kram, mit dem Priiderie, Eitelkeit und Bedürfnis 
sie behängen, und der mich nicht interessiert. Und seine, 
Mareesß Geschöpfe wirken nicht wie Nuditäten, man kann die
	        
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