GEDANKEN ÜBER BILDHAUEREI ETC. (EINZELNES) 155
Breitgesichter von Ohr zu Ohr gerechnet, nicht
wegen der Backenknochen, sind viel plastischer und inter-
essanter als Langköpfe. Das wussten die Ägypter und Griechen
sehr genau. Bei den Langköpfen ist höchstens das Profil inter-
essant, von vorn sieht man so gut wie nichts Sprechendes,
Brauchbares keine Flächen, alles verschwindet.
Auch die modernen Römer haben so schöne breite
Köpfe. Wenn er oder sie sich irgendwie wendet, sieht man
immer wieder neue, sprechende, deutliche Flächen.
Ein nackter, etwa 15 jähriger Italiener steht an einer Thür,
den Klopfer in der Hand, wie man etwa den seelenführenden
Hermes darstellt. Das Sonnenlicht direkt von oben. Alles
klug, gross, klar und offen. Hohes dichtes Haar auf dem deut-
lichen Schädel mit scharfem Schatten über der breiten Stirn,
breitschattende Wimpern alles klar disponiert und prächtig.
Nur die Nase soviel unregelmässig, dass das Gesicht nicht lang-
weilig wird. Aber Nacken, Schultern, Arm und Hand, diese
Brust! Darunter allerdings die bekannten Wurst-, Nudel- oder
Maccaronibeine, ohne Kniee, ohne dass man sieht, wie das
zusammenhängt, wodurch es funktioniert oder nur steht. Keine
Knochen, Muskeln und Sehnen.
Danneckers Ariadne. Auf dem Katzenbuckel kann ja
niemand liegen, ohne ihn einzubrechen. Von einer kleinen
Gemme mag er das haben. Da bin ich in voller (freier, orna-
mentaler) Phantasie. Wenn ich aber mal in der realen Luft
der Bildhauerei atme, geht das nicht. Dannecker hat das auch
gefühlt; denn er hat den Panther so stämmigiwie möglich ge-
macht.
Adolf Hildebrand. Er ist sehr klug, kennt seine Mar-
mortechnik und die Bedingungen seiner Aufgaben: Das ist
wesentlich; aber das muss noch wieder weg, das beein-
trächtigt; das spricht nicht, ist nur zufällig und in der
Übertragung störend für den Zusammenhang wie für die Deut-
lichkeit des Wichtigen so was wird leicht gleichwertig und
damit das andere (also als wichtiger Gewollte) aufhebend. (Ich