Volltext: Zehn Jahre mit Böcklin

FARBIGE SKULPTUR 135 
teil ein Entfernen vom Malerischen (d. h. von der ebenflächigen 
Abbildung) und Hinzielen auf erhöhte plastische Wirkung er- 
kannt werden." 
Ich fand in ihm (ohne sonst gegen seine Logik etwas 
sagen zu können) freilich die falsche Voraussetzung, als könne 
es ebenflächige Reliefs geben, und wenn das nicht darin ent- 
halten, so vermisste ich unbestritten das Bewusstsein des 
Schreibers, dass dies Raumüberwinden zum grossen Teil durch 
Farbe geschah. Auch später redet er von farblosen Skulpturen, 
bei denen die Griechen klugerweise nicht versucht hätten, den 
Glanz des Augensternes wiederzugeben, während sie ihn in der 
farbigen Plastik der Malerei überlassen hätten. Das Gefühl 
vermisste ich hier, dass doch nicht die gleiche Zeit dergleichen 
nebeneinander sehen kann, dass überhaupt leere Augen tot, un- 
möglich, tötend für das Ganze sind und damit der beste Be- 
weis für die Farbigkeit aller Skulptur, wenn wir noch Beweise 
brauchten. 
Treus Broschüre: „Sollen wir unsere Statuen bemalenß 
(nebenbei ein unglücklicher Titel. Es kann sich selbstverständ- 
lich nie um ein Färben handeln, sondern nur um das von 
vornherein farbig Denken; noch schlimmer die „Buntfarbig- 
keit der Antike" [Th. Alt]; ein unglücklicheres Wort wie 
„bunt" gegenüber der immer ernsthaften und sozusagen monu- 
mentalen Skulptur  nun gar der antiken  war auch nicht 
zu finden) brachte uns als Neues also nur die Thatsache, dass 
die Wissenschaft auch im Zentrum zu wanken beginnt, was 
wir in Florenz und Zürich, nur der Kunst und dem Leben 
zugewandt, übersehen hatten. Dass im Mzzseo borbonico alles 
einmal farbig gewesen, hatte ich schon im Jahre 1871, von dem 
farbigen Pompeji aus (wo wir im Sole hausten) für mich fest- 
gestellt, auf Trendelenburgs Untersuchungen mich stützend 
und sie fortsetzend. Mit den Ausnahmen, an denen nichts zu 
erweisen war, war nichts bewiesen. Aber trotzdem fand Treus 
energisches Betonen des praktischen Probierens und sein Re- 
sultat: die Berliner Ausstellung plastischer Kunstwerke, als in 
dem Berlin Kuglers möglich, unsere höchste Anerkennung, 
und Böcklin-Bruckmann modellierten dazu eine „Meduse",  
L 
Aus 
Pozzolanerde 
und 
zerstört. 
Kalk,
	        
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