134 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE
und nicht auch die kleinen Nebenregungen, wenn man auch
nur einen farbigen Schleier darüber legen will.
Also: was er dem Maler vorbehielt, machte der Bildhauer
nicht, was er ihm vorbereitete, wirkt heute als Selbstzweck, also
anders wie beabsichtigt. Wie Unrecht thun wir demnach immer
noch (so gut wie Winckelmann den Griechen mit seinem Lob-
gesang auf den Apoll vom Belvedere) mit Lob und Tadel
über heute farblose Skulpturwerke, wenn wir nicht lernen sie
uns, dem Künstler nachempi-indend, zu erklären und im wesent-
lichen zu ergänzen. Darin geht es manchem, der genauer nach
dem „Warum" des Künstlers gefragt hat, anders als den
Archäologen und sonstigen „von der Farblosigkeit herkom-
menden" Erziehungsmenschen (so benehmen sich alle Germanen
als arme Leute oder homines novi dem Stoff [Marmori Bronzei!
Goldili] gegenüber wie die Bettler. Als 0b der den Griechen
hätte interessieren können, abgesehen von der vom Material
zu verlangenden Vorzüglichkeit, Vornehmheit etc.). Abgesehen
davon, dass ich gegen die Farbe niemals etwas hatte, stand ich
vor einer Menge oben angedeuteter Rätsel, die erst lösbar ge-
worden sind, seit wir uns zu so manchen skulpturalen „Nach-
lässigkeiten" und eigentümlichen Rechenexempeln den bisher
ausgelassenen Faktor der Farbe hinzurechnen dürfen.
Am komischsten waren uns die Halben ä la Kugler, die
weissen Griechen mit vergoldeten Haaren und kleinen bunten
Säumchen um die Gewänder, oder die bronzenen mit email-
lierten Augen und sonst nichts, deren Patina jeden Tag anders
aussieht, wie als der Künstler sein Werk fertig sah. Sehr ver-
ständig und positiv erschien uns dann die Rede von Guido
Hauck (Berlin 1885) über „die Grenzen zwischen Malerei und
Plastik und die Gesetze des Reliefs" bis zu der Thorwaldsen-
alternative, wo wir uns zwar nicht ganz auf die Gegenseite
schlugen (Böcklin vielleicht), aber jedenfalls ihre Aufstellung für
falsch hielten und die überkommenen Anschauungen, alias Bil-
dungsvorurteile in der Überschätzung Thorwaldsens zu Wort
kommen sahen. Aber der Gipfelsatz konnte unterschrieben
werden:
„Wenn man allgemein das Bestreben, im Relief den
Flächeneindruck zu überwinden, als ein Ausgehen auf male-I
rischen Effekt bezeichnet hat, so dürfte hierin gerade im Gegen-