103 BÖCKLlN-AUFZEICHNUNGEN um) ENTWÜRFE
sondern der dunstlose Himmel des Südens lehrten ihn immer
farbenfroher sehen.
An die stillschweigende Konvention in der Malerei (die
ihre Grundlage ist) denkt niemand. Sie muss mit zehn Prozent
der Mittel, durch welche die Natur wirkt (d. h. sich sichtbar
macht), dieser scheinbar gleichzukommen suchen. Die so be-
schränkte Farbenskala der Palette scheinbar zu erweitern, ist
eine beabsichtigte Eigentümlichkeit der Böcklinschen Bilder.
(Wie viel grösser die Skala der Natur ist, erhellt am besten
aus Beispielen. Was ist z. B. das höchste Licht im Bilde ge-
gen ein Glanzlicht, das auf den Goldrahmen fallt! Was ist
das leuchtendste Orange, die leuchtendste aller Farben, plötz-
lich für ein dunkler Dreck, wenn ein Schimmer Abendsonne
darauffällt
Daran, dass alle Farbe als eine Qualität des Lichts
in der Erscheinungswelt relativ ist, denken auch wenige. Dass
sie (als Einzelfleck) nur ein Faktor in der Rechnung des
Künstlers ist, die man Bild nennt, ebensowenig. Das isoliert
sich irgend einen Fleck aus dem Bilde, eine Farbe, sieht sich
fest, wo es gar nichts zu suchen hat, und sagt: „Das ist gelb
(oder Neapelgelb mit Beinschwarz) so sieht kein Weisser aus."
Die eigentümlichen Fähigkeiten seines Materials legen dem
Bildner in Böcklin Bedingungen auf, wollen nicht gequält
werden, sondern zum Ausdruck kommen und ausgenutzt werden.
Diese Rücksicht auf das Material gilt nicht nur im Kunst-
gewerbe (in welchem Falle die "Gebildeten" nichts mehr da-
gegen haben), sie gilt ebenso in der Kunst, und ein Maler ist
nur in seinem Recht, wenn er nur innerhalb der Grenzen und
unter möglichster Ausnutzung der Fähigkeiten seines Dar-
stellungsmittels, der Farbe, erfindet.
Die Farbe schafft Raum, modelliert, macht Stimmung, sie
komponiert, führt das Auge und verdeutlicht ihm die künst-
lerische Gliederung, sie reizt die Aufmerksamkeit und fesselt
sie im Sinne des Künstlers sobald er ihre Gesetze erkannt
und zu den seinigen gemacht hat.
Böcklins Farbe, d. h. die Art sie anzuwenden, schalTt ihm
die tiefe lebendige Glut seiner düsteren, den zauberischen
Glanz, die ungebrochene Heiterkeit seiner in den krystallenen
Äther des Südens getauchten lichten Kompositionen. Er weiss: