Korrektheit
und
Fertigmachen.
Wie manches dem Laien Unentbehrliche kann malerisch
überflüssig sein! Ich betrachte z. B. eben „Am0r profano e
sacro" von Tizian und sehe den linken Arm der Nackten
nicht. Das Bild ist darum nicht ärmer geworden.
Unkorrektheit und Unfertigkeit hat man Böcklin so oft
zum Vorwurf gemacht.
Bei Rubens, Tizian etc. unterwirft man sich dem kunst-
wissenschaftlichen mitgebrachten Urteil. Sogar schon bei
Herrn von Lenbach, weil er Mode ist und Rembrandt zu
Vorwand und Entschuldigung hat. Und dann, weil es Porträts
(nebenbei grosser Leute) sind. Denn dabei sagt wiederum die
„Wissenschaft" erklärend, dabei kommt es nur auf das Wesent-
liche, Unterscheidende, auf den Kopf und in ihm hinwieder auf
die Seele an, die z. B. schon mit Augen und Mund allein fertig
ausgesprochen sein kann. Wenn aber das so einfach wahr ist
(und es kann wahr sein, nur bei Herrn von Lenbach nicht, der
ganz gewiss nicht zur Abwechslung einmal ä la Holbein malen
würdet), warum gilt das gleiche Gesetz nicht auch für andere
moderne, für andere auf knappe einheitliche Wirkung mittels
malerischer Mittel komponierte, d. h. berechnete Bilder?
Warum soll sich ein Maler, wenn er das Seinige eindring-
lich und knapp ausgesprochen hat, noch lange mit Details er-
müden, „die heutzutage jeder leicht lernen kann", und die,
wenn sie auch nicht notwendig abziehen, doch gewiss nur
solche Beschauer freuen würden, zu denen der Künstler gewiss
nicht hat sprechen wollen. Hat er seinen Natureindruck künst-
Siehe
den
Abschnitt "Varia".