96 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE
Schon die Beschränkung der Palettenskala gegenüber jener
des Lichts, des Raumes gegenüber der Unendlichkeit der Er-
scheinungswelt, die Notwendigkeit der abgeschlossenen Einheit,
die daraus hervorgeht, sollten auch den Eifrigsten daran er-
innern, dass derjenige, der in seinem Bilde Naturwahrheit an-
strebt, schon durch ganz äusserliche Bedingungen gebunden ist.
Er sollte ferner bedenken, dass der Mensch seine Persönlich-
keit, sein Hirn nicht loswerden kann, dass es nicht die Natur
ist, die er darstellt, sondern das, was er von ihr sieht, d. h. dass
die Welt des Sichtbaren für ihn erst in seinem Schädel entsteht,
dass je energischer und gewaltiger diese somit schöpferische
Persönlichkeit der Erscheinungswelt gegenübertritt, die Wesen-
heit des Geschauten bis in die Darstellungsmanier hinein
einen anderen Charakter annehmen wird. Denn nicht die Natur
hat den Künstler, sondern er hat sie.
Auf den Wert der anschauenden Persönlichkeit und
wie anders spiegelt sich in Böcklins Kopf die Welt wird es
also immer ankommen, und wenn jemand diese auf das Niveau
eines photographischen Apparats reduzieren zu müssen glaubt,
und es scheint wirklich manchen von ihnen?) nicht schwer
zu werden so wird er eben wohl nicht viel mehr bei der
Seele haben. Sähe er mehr und besser, so würde er wahr-
scheinlich besser zu malen versuchen und das Beschämende
eines solchen Vergleichs nebst dem Überflüssigen solcher Be-
strebungen selbst einsehen.
Die ganze einsichtige Kritik hat denn auch Böcklins
ungeheure Naturnähe erkannt. Für den Rest die Majorität
scheint es in unserer Zeit der Demokratisierung der „Kunst"
zunächst die fehlende Kalendergeschichte zu sein, die diesen
Realismus irgendwelcher exklusiver, aristokratischer Neigungen
verdächtig macht. Bedenklich sind von vornherein die offenen
Mittel reine Farben ohne Sauce mit denen dieser Realis-
mus des Sonnenscheins, des Raumes, der Öde, der Meeresweite
und -Tiefe hergestellt wird, verdächtig in unserer weiss-grau-
schwarzen Zeit.
Noch
begegnet,
niemandem ist, scheinfs, die Realität des Märchens
es muss nun mal die der Wachtparade, des sozialen
Modernen.