90 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE
noch malen, wie die Maschine, nur aus dem dummen Grund,
weil es gerade da ist, alles sehen müssen, was ein Friseur,
Hühneraugenoperateur, Zahnarzt etc. auch noch sieht, das giebt
sicherlich kein richtiges Bild von dem, was an dem Original
erfreulich und individuell ist.
„Ich habe von ihm gemacht, was ich an ihm liebte, was
mir sein Eigentümliches, Unterscheidendes, Erfreuliches war.
Was geht miclfs an, was die Gattung für Merkmale hat."
(Ich zeigte ihm das Porträt meiner Schwiegermutter von
G. Richter und sagte: "Neunundneunzig Sitzungen und doch
nichts geworden." „Eben darum nicht", antwortete Böcklin
lachend. „Das kann ja nur ein gemalter Steckbrief werden, in
dem alles steht, was gleichgültig ist. Das beweist nur, dass der
kein Künstler war, der auf diese Weise ein lebendiges Indivi-
duum packen und darstellen wolltef")
Wo Böcklin kann, hilft er sich auch noch auf andere Weise
aus der Langweile der Einzelfigur. Der Frau Gurlittii) giebt
er ihr Kind auf den Arm, und es giebt nun alles zu sagen.
Er zeichnet Gottfried Keller auf, nachdenklich vor einem
Glas mit Blumen sitzend. nla", sag' ich, „man sieht nie Blumen
bei ihm." „Macht nichts", meint Böcklin, "dann sind das seine
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Natürlich mussten auch seine Selbstporträts noch etwas
sagen einmal dem Geigenspiel des Todes lauschendfmalt er
sichw), das andere Mal stramm, in heiterem Geniessen, hält er
das volle Weinglas in der Rechteni).
Und noch eins kann er von eigenem dazuthun: Den Kopf
in breiter Lichtwirkung sich einfach und ruhig abheben lassen
vom Hintergrund. Sei es durch Farbenkontraste oder durch
Linienkontraste.
(Zu erinnern wäre z. B. an van Dyck, der einen Kopf,
der ruhig und einfach, trotz aller Arbeit darin, erscheinen
sollte, mit scharfzackigen Krausen, einem Teppichornament etc.
zu umgeben wusste.)
Reproduziert bei F. H. Meissner: Arnold Böcklin („Das Künstler-
buch"), pag. 65. A. d. H.
M) Böcklinwerk I, l. (Bild von 1872 in der Nationalgalerie zu Berlin.)
f) Siehe das Titelbild. A. d. H.