KOMPOSITIONSMITTEL. BILDENTSTEHUNG. BILDER 81
das relativ Richtige gemacht), aber es musste und muss wieder
weg. Sie hat ein Ohr, natürlich" da sass es auch schon
aber die modellierte Ohrmuschel zog ab: „ich darf nur das
machen, was das Schreien ausspricht, nicht das für ihre absolute
Existenz Nötige. (Übrigens kann so ein Seetier auch ohne Ohr-
muschel auskommen.) Man soll um Gottcswillen nicht
am unrechten Ort zeigen wollen, dass man ein fleissiger
Schüler war, dass man Kenntnisse erworben hat, zeich-
nen kann etc. Für solche Knabenrenommistereien hat das
einheitliche künstlerische Wollen keinen Platz. Alles an seiner
Stelle."
Aber noch einmal: die ganze sogenannte realistische Füh-
rungsverpflichtung ist Unsinn. Man überlege nur, was von dem
ganzen Apparat wirklich wirkt, und dass man meist mit wenigem
Bewussten in der Kunst mehr macht. Das bisschen in den
Moment (den allein die Kunst darstellen kann) zusammen-
gedrängte Leben darf doch nicht der Aufmerksamkeit entzogen
werden durch das (ermüdende) Gleichwertigmachen alles dessen,
was die verwendeten Geschöpfe oder Gegenstände sonst noch
haben, ausser den zum Ausdruck des Moments nötigen Organen,
Alfekten etc. Ich rufe, um deutlicher zu werden, die Kari-
katuren an, Oberlaender z. B., der die gleiche künstlerische
Kraft besitzt, das Nichtwahre wahrscheinlich zu machen mit
allen Mitteln. (Oberlaen der ist sehr fein: er macht nur das
Komische. Alles andere lässt er durch seine witzige Form so
draussen, dass niemand es von ihm verlangt. jedes Mehr wäre
zu viel bei diesen Zeichnungen und bedeutete [für die zwangs-
weise scharfe Auffassung desWesentlichen, Lächerlichen] weniger.)
Das Glaubhafte, Wahrscheinliche, was Oberlaender hineinbringt
in irgend einen dummen unmöglichen Witz, macht ja erst das
Künstlerische, den Oberlaender. Man glaubt, dass ein Velo-
cipedist über einen wütenden Stier hinüberradelt, der Länge
nach, so wohl thut das Kitzeln der Bestie, so stolz arbeitet der
Radfahrer, so dumm schauen die Kühe zu. (Mit welch blutigem
Ernst Oberlaender so eine halbe Stunde zusehen kann, wie die
Rekruten Stechschritt machen, um sich das Komische darin
auf das Typische zu reduzieren; dem es dann niemand mehr
übelnimmt, wenn er nur macht, was ihm dient, und dem man
für dies Bewusstsein und diese Weisheit wirklich dankt!)
Floerke, Böcklin. 6