74 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE
„Meeresstille" 1887!) Hier das vereinfachende Zusammen-
fassen aller der künstlerischen Weisheit und poetischen An-
schauungsfähigkeit, die er zuerst ganz in der „Seeschlange" be-
wiesen. An klarer Einfachheit und Klugheit ist er allen über.
Der reine Palma! Sie, die Nereide ist gerade auf ihrer
flachen, buntbewachsenen Klippe aus einem bösen Traum er-
wacht, den sie wie einen Alp von sich stösst, in noch halb
traumhafter Bewegung, auf ihr sitzen noch drei Möven
während das Untier, das sie wirklich belauscht hat, just Ringe
bildend in die Tiefe verschwindet, den bunten stachlichten
Schwanz noch draussen. Wie der Kerl unterm Wasser gesehen
und gemalt ist, das ist schon unglaublich in all den Ringen.
Über dem Ganzen schwerer, dunstiger Himmel, atembeneh-
mende, luftlose Mittagshitze, bei der einen der Schlaf unwider-
stehlich zwingt.
Auf der Nereide sitzen, wie gesagt, drei Möven -er sah
sie selber auf Delphinen sitzen oder Dr. Dorn in Neapel hatte
ihm solche Fälle erzählt aber es sind andere Möven mit
schwarzen Köpfen und roten Schnäbeln, so gut wie auch das
Weib kein gewöhnlich geschautes ist, das Ungetüm noch nicht
gefischt wurde. Dass es indes solche Geschöpfe giebt, davon
ist man gleich überzeugt, nur ist das so weit weg, dass so
leicht kein Herr Naturforscher hinkommen wird, und Böcklin
selber wird ihm seine neuentdeckten Gegenden gewiss nicht
verraten.
(Späterer Zusatz: 1887. Wieder eine prachtvolle Meeres-
idylle, diesmal das Frauenzimmer mit drei schwarz und weissen
Möven er hatte so was gebraucht; da waren ihm die schwarz-
halsigen Schwäne am Quai in Zürich eingefallen, und er machte
solche Möven. Später erfuhr er in der ornithologischen Samm-
lung des Polytechnikums, dass es auch solche Möven gäbe, die
aber, ich weiss nicht wo, und auch da selten seien. Ja die
Möven! Was werden sich die Leutchen darüber den Kopf
zerbrechen. Die Wohlwollenden werden nachdenklich in ihrem
mytho- oder sonstwie logischen Material umherfahren und fragen,
was sie wohl bedeuten sollen, wie sie als Attribut zu erklären
seien, was der „gelehrte Maler" wohl mit ihnen habe sagen
Böcklinwerk
Museum,
Bern.