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von seinen weiten Schwankungen in der Stimmung, seinem
Misstrauen, seiner für einen hochgebildeten Mann ab-
sonderlichen Abneigung gegen Schreiben u. s. W.
Ein sehr glaubwürdiger, jetzt verstorbener Herr erzählte
mir vor Jahren als persönliches Erlebnis, dass Böcklin
bei wiederholten gemeinsamen Besuchen von Weinlokalen
stets auffällig Rückendeckung an einem Wandplatz gesucht
hat und, Während er sich argwöhnisch nach der Platznahme
umsah, fragte, ob der Gastfreund diesen oder jenen An-
wesenden für starker halte als ihn. Böcklin war bis in
sein Alter hinein nämlich ein Athlet an Körperkriiften,
er macht auch heute noch den Eindruck eines Riesen.
Zu diesen merkwürdigen und zweifellos pathologischen
Erscheinungen gesellt sich als litterarische Thatsache,
dass der gute Beobachter aber voreilige Schlussfolge-
rungsmusikante Lombroso in seinem Buch: aGenie und
Irrsinm mit sehr durchsichtigem Verschweigen des Namens
unseren Künstler zu den schöpferischen Irren zählt,
eine vAuszeichnungK, die er in jenem Buch allerdings
mit dem ersten Napoleon, Richard Wagner und anderen
Heroen teilen muss. wEin Königreich für diese Form von
Irrsinnlr Dass Böcklin mit diesem Zustande 70 Jahre
bisher überschritten hat, dabei ein robuster Riese sein
Lebtag war und ein Gesammtwerk geschaffen hat, das
durch seinen geistigen wie handwerklichen Gehalt seit
Jahrzehnten die besten Köpfe der Zeit eingehend be-
schäftigte, ist der unzweifelhafte Gegenbeweis für die
geistige Gesundheit des Künstlers. Das muss ausge-
sprechen werden, weil einer öffentlichen Verläumdung
nur mit einer öffentlichen Aufklärung begegnet werden