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wie kein anderer Ort der NVelt sie bieten kann. Böcklin
lebt von 1862-1866 zum zweiten Male in Rom. Für
seine Kunst aber wird es eigentlich der erste und aus-
schlaggebende Aufenthalt, denn erst jetzt wird Italien
seine richtige Heimat und kriegt Fleisch und Blut vor
seinem hellseherisch gewordenen Auge.
Er streift jetzt hinunter nach Neapel und Capri und
lernt die berauschende Pracht der alten grossgriechischen
Gefilde und in den lebensfrohen Südlingen der Halb-
insel das Temperamentserbe der hellenischen Antike
keimen, er wandert sinnend über antike Baureste am
Golf von Neapel und Salerno, bei Paestum, mit dem
Schauer des künstlerisch Empfindenden irrt er durch die
Strassen und Häuser des Riesengrabes Pompeji und lässt
die Nahe des antik-lateinischen Alltagslebens tief wie
Einer auf sich wirken, der sich heiss nach dieser Welt
sehnte und unter der marmorkalten Plastik des offiziellen
antiken Klassicismus, also unter dem Winckelmannschen,
nach dem Lebenspulsschlag gehungert und gedurstet hat.
Alles Bunte, Zufällige, Augenblickliche des Zustandes
reizt ihn nun sonderbar, die beredten Farben um-
gaukeln ihn mit ihrer stimmungsvollen Alterspatina,
vor seiner glühenden Phantasie ziehen antike Bilder von
erstaunlicher Echtheit vorüber, denen doch jeder geschicht-
liche und jeder archaeologische Zug vollkommen fehlt.
Nichts ist hierfür bezeichnender als eine von Ostini über-
mittelte Äusserung des Künstlers selbst: wDie Alten
wollten ja auch keine Antiken machenls
Fehlt ihm selbst doch auch der realistische Sinn,
d. h. die Ehrfurcht vor den Thatsachen der Erscheinung,