cento das moderne Lebensideal in grösster Vollkommen-
heit geformt hat. In ihm haben That- und Bewegungs-
bedürfnis andere Grundzüge erhalten; das Christentum
hat den antiken Einklang von Mensch und Natur längst
zerrissen; die Ideale sind unerreichbar, sind ethische Ab-
strakta geworden; der Einzelne gliedert sich nicht mehr
in naivem Sichgehenlassen ins Ganze ein; er lebt und
Wirkt mit dem Ziel nach Macht und Persönlichkeit für
sich; er empfindet mit gesteigertem Wissen und durch-
triebenen Denkkünsten seinen Zwiespalt mit der Natur,
aber sehnsüchtig sucht er selbst als freiester Geist seine
Erlösung nicht mehr bei ihr, sondern in der Askese,
wie Dante. Masse auf Masse thürmt Michelagniolo leiden-
schaftlich in ängstlich gehüteter Werkstatt, Persönlich-
keit und Gewalt ist der treibende verschlossene Zug bei
Lorenzo Medici, den Borgias. Julius dem Zweiten. Ein
gigantisches Wesen beherrscht Zeit und Land bis zu den
kleineren Geistern und Europa hat in seinem Grössten
selbst nur Ansätze, kaum Ebenbürtiges aber entgegen-
zusetzen.
Aber diese Formenwelt ruht auf der Antike,
durch diese Massen weht auch ein feiner Duft mit Erinne-
rungen an die antike Naturromantik, die manchmal, z. B.
wie bei Botticelli, erwacht und in Giorgione latent ist.
Da bleiben neben allem Grossen und Erhabenen in Neben-
Strömungen ein paar antike Pulsschliige voll Sehnsucht
nach der Natur lebendig. Mochten sie mitunter unrein
sein wie in den centi novelli von Dantes erstem Katheder-
philologen Boccaccio,
lebten auch in Petrarca,
sie waren doch da, sie
sie wachsen schliesslich neben
Meissner,
Arnold Böckl