Einfachheit und Strenge eines Carstens bis zu der Sopho-
kleischen Lieblichkeit des Weimaraner Einsiedlers Genelli.
von dem Farbenpoeten Preller bis zu dem malerisch
durchtriebenen Gastmahlpathos Feuerbachs; mit der
Sicherheit organisch Wachsender Natur ist der bleiche
Reliefschemen von einst mit seiner Gipsabgussantike
Jahresring um Jahresring zu einem mächtigen Baum mit
glutvollen Früchten aufgegangen. Und damit ist die
Frage, die einst in stiller Gelehrtenklause beim Dienst
philologischer Wissenschaft gestellt ward, ein modernes
Kunstproblem geworden, auf welches die Gegenwart im
Werk eines der grössten Zeitgenossen eine dröhnende
Antwort gab.
Woher dieser unwiderstehliche Zauber der helleni-
schen Antike, der selbst in der römischen Vertrübung
viele Jahrhunderte lang wirksam blieb, auf die Epi-
gonen und im Besonderen auf die so ganz andersartige
germanische Welt, woher diese seltsame Fähigkeit
gerade des Deutschen, das Eigenste einer längst toten,
blutsfremden, räumlich weit entfernten Kultur zu er-
gründen und allen anderen Völkern voraus zu einem
Leben voll rosigen Nachglanzes zu erwecken?
Als Goethe an der Schwelle verzopfter und eng einge-
Schnürter Vergangenheit das kritische Wort von der
naiven Einfalt und schlichten Erhabenheit der Antike
aussprach, ahnte dieser grosse Beobachter in seinem
Urteil sehr wahrscheinlich das Schlagwort für eine neue,
nach Menschsein sehnsüchtige Zeit. Ihm haben wohl
kommende Gedanken vorgeschwebt, für die Phidias,
Praxiteles, die melischc Aphrodite nur mehr letzte be-