Volltext: Arnold Böcklin (Bd. 1)

sein, das Übersichselbsterhebenwollen sich auch abspielt, 
so ruhelos der Menschengeist nach Veränderung sinnt 
und heute bekämpft, was er gestern verherrlicht hat, so 
wenig frei, so eng gebunden an die Natur ist er im 
Grunde: nur ein paar Hauptgesichtspunkte, nur ein paar 
Grundaklcorde machen das ganze Menschenspiel aus     
Jahrtausende ziehen brausend dahin     -ein paar Licht- 
punkte thronen in ihnen     der Mensch erschöpft sich 
darin, ihre Probleme immer wieder in sein engeres Zeit- 
idiom zu übersetzen. Die Antike heisst die eine der 
grossenABahnen für den Bewegungsdrang seit zweitausend 
Jahren,  die andere die Renaissance.   
Die Antike hat gerade vor 150 Jahren ein neues 
Erwachen in der europäischen, in der deutschen Kunst 
erlebt. Mitten im endlosen Wust römischer Nachahmung, 
die unendlich lange als das vAntike an sichs gegolten, 
entdeckte ein Mann mit hellen Augen und geistiger 
Verschlagenheit, wie sie von Armut, Einsamkeit, Lebens- 
drang nicht selten erzeugt werden, die fast verlorene 
griechische Originalkunst. Diesem Herrn aus Stendal, 
märkischem Konrektor, gri-iflichem Bibliothekar, diesem 
unverzagten Renegaten um der Machtfrage Willen, Abbate 
_und schliesslichen römischen Kustos löste sich aus den 
winzigen Figürchen auf Kameen und Gcmmen im Dres- 
dener Kabinett und in den Sammlungen seiner römischen 
Kardinalspatrone, aus dem rohen Linienzug der römi- 
schen Relief- und Figurenfunde allmählich das Phantasie- 
bild von einer versunkenen und vergessenen Idealwelt; 
er zogihr mit Schatzgriiberseligläeit bis an sein Ende 
nach; _er,  der erste moderne Archäologe Winckel-
	        
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