380
auch tadelte, ein Bild durch den Spiegel zu beurteilen;
dadurch mache man seine Composition lahm, denn manch-
mal beruhe der Ausdruck gerade .in Ungleichheiten;
z. B. bei den Köpfen würde er vielleicht vieles verändern
und berichtigen Wollen, was er so seinem Gefühl nach
gemacht hat (wie z. B. Schiefheiten beim Lächeln).
Böcklin hat erst die Figuren mit Kohlestrichen an-
gelegt, diese dann zu einem dichteren Ton verwischt und
als Grund benutzt, um mit schwarzer Kreide die Zeichnung
zu vollenden.
Den ersten Karton habe er zu liederlich gezeichnet,
und dies habe ihm im Grofsen bei Erfindung der Töne
viel Mühe gemacht. Beim Auszeichnen mit Kreide denke
er überall schon an Farbe und hoffe das Bild schneller
und besser vollenden zu können, wenn er eine Solide
Grundlage für Effekt, Formen und Ausdruck habe. Auf
den zur Pause bestimmten Karton werde er dann nur die
Umrisse übertragen und auf Berichtigung und Veränderung
der Formen nicht Weiter einzugehen haben.
Eine Zeichnung mit Kreide ist viel lockerer und
luftiger als mit Kohle, und besonders die schraftierten
Modellierungen haben viel mehr Zartheit und Wahrheit,
Während Kohle viel trockener, unbestimmt und Skizzen-
hafter aussieht. Aufserdem stellt sich die Phantasie bei
einer Kreidezeichnung eher die farbige Wirkung vor.
Böcklin hat beim Auszeichnen mit Kreide ganz aus-
schliefslich nur an malerische Wirkung und an den
Ausdruck der Sache gedacht und ist nie auf scharfe
Konturen oder auf prinzipielle genaue Strichlagen ein-