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hat man die Originale nicht vorher schon begriffen, so
nützt einem das Zeichnen auch nicht. Hat man aber ein
Werk begriffen, so bleibt es dem Gedächtnis auch einge-
prägt.
In Mailand gäbe es so viel zu sehen, dafs es sich
verlohnte, sich einmal auf ein jahr dort festzusetzen.
Ich fragte nach Fresken von den Caraccis und
Guercino und bedauerte, den Palazzo Farnese in Rom
nicht besucht zu haben. Böcklin sprach geringschätzend
von ihnen und meinte: wenn marr sich von vornherein
beim ersten Eindruck schon sagen mufs, solche Arbeiten
sind scheufslich, so sieht man sie lieber gar nicht an.
In Parma findet sich von Correggio eine Wieder-
holung der Dresdener Madonna auf dem Thron mit
Hieronymus und Katharina; vielleicht das Original; unter
halber Lebensgröfse. Man sieht da neben vielem Schönen
auch wieder, Welcher Roheiten und Flachheiten in Form
und Farbe Correggio fähig war. Der lange Hieronymus
mit winzigem Kopf und bedeutungsloser Bewegung als
Eckstück, daneben ein so winziger Löwe, und dann die
schauderhaften roten und gelben Gewänder.
Von den Fresken sagte Böcklin jedoch: Correggio
u. A. suchten das auszusprechen, was sie für das Wesent-
lichste in der Komposition hielten, und verlangten dann
vom Publikum, dafs es ihnen folge. So suchten sie vor
allem erst Kopf, Bewegung und charakteristische Bewegung
der Hände treffend zu geben; die Falten würden dann
gleichgiltiger behandelt.