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Hauptstellen in mäfsigen Farben bewegt und dafs nie
die Mittel vergeben werden. Vor allem aber sieht er auf
plastische Erscheinung. Bei Köpfen von halber oder von
zwei Drittel Lebensgröfse, wie bei der Quellnymphe oder
Venus Anadyomene, läfst Böcklin sich nicht darauf ein,
die Augenlider etwa genauer zu zeichnen, sondern giebt
stets nur die allgemeine Erscheinung und die malerische
XVirkung. Selten entsteht bei ihm ein Bild gleich auf
den ersten Wurf; es wird nach der ersten Skizze gewöhn-
lich öfter umgeworfen, je nachdem er die Idee umbildet,
den Gedanken erweitert oder zusammenzieht und eine
schlagendere Lösung dafür findet.
Daphnis und Amaryllis war im ersten Entwurf
etwa so: Die Nymphe sitzt gerader und horcht lächelnd,
ohne Wendung zu Daphnis. Dieser ist ein langer, schöner
Jüngling mit sentimentaler Kopfhaltung, der mit der
Rechten deklamiert. Rechts oben ein Licht, links in der
Grotte eines; Nymphe in überschattetem Weifs; Rasen
grün mit dunkelrotem Krug; blafsrote Rosenguirlande
oben. Das alles war schon angedeutet, und die Farben-
intention hat Böcklin im Bilde auch innegehalten. Aber
im Ausdruck ist das Bild bedeutend vollendeter; der
Knabe jünger, leidenschaftlicher in der Wendung; das
Sentimentale ist durch das Derbe, Bäuerische in Gesicht
und Körper gemildert; er hält eben im Spiel inne. Die
Nymphe ist nachlässiger zusammengesunken und sieht sich
leidenschaftlich und schmachtend nach ihm um. Die Ver-
liebtheit des Knaben entzückt sie und schmeichelt ihr.
Auch an kleinen Motiven ist das Bild reicher geworden: