54 VI. Technische Versuche des zweiten römischen Aufenthaltes_
obigen Zusätzen von Essig, Honig u. dergl. kommt
als Bindemitel für Tafelmalerei bei Cennini nicht vor,
wohl aber diente Eiklar und Gummi arabicum in
Mischung mit Kandiszucker den Miniaturmalern des
XV. Jahrhunderts als Bindemittel, und auch Cennini
erwähnt diese Methoden zur Vergoldung und Bema-
lung bei der Miniaturtechnik (Kap. 157-161).
Cennini beschreibt jedoch in einigen Kapiteln
verschiedene „zu Tempera" geeignete Leime (Kap.
109-112), darunter den sogen. Schnitzelleim (Colla
di spicchi) oder Caravellaleim, der aus Pergament-
abfallen bereitet wurde, den Fischleim und den Käse-
leim, und demnach mag Böcklin unter "Tempera"
auch die Leimfarbe verstanden haben.
Diese war ihm ja längst bekannt, denn er hatte
schon 1858 vier grosse Wandgemälde, die Beziehungen
des Menschen zum Feuer darstellend, in Hannover
für den Konsul Wedekind ausgeführt, und diese
Bilder bezeichnete er Schick gegenüber als "Tempera-
oder Leimbilder" (Schick, S. 14). Auch andere N0-
tizen beweisen, dass er Leimfarbe mit Tempera gleich-
bedeutend bezeichnet hat, so in dem angeführten
Porträt seiner Frau (Schick, S. 25). Die „Leimfarbe"
hatte überdies von jeher für ihn grossen Reiz; er
äusserte sich einmal gelegentlich, als von früheren
"Versuchen die Rede war: „es gäbe kaum etwas
Schöneres als Malerei in Leimfarbe"; aber dass er
berg. saß), Wien 1871. Kap. 72, 143-147. Cenninis Traktat
ist zuerst herausgegeben von Tambroni (Rom 1821), dann in
englischer Sprache von Mrs. Merrifield (London 1844) und in
französischer Sprache von Mottez (Paris 1858).