128
Züricher
Zeit.
"Das ganze Unterfangen wurde ihm natürlich dadurch
erschwert, dass er auf keiner handwerklichen Tradition und
Atelierpraxis weiterbauen konnte, sondern alles gleichsam
von vorn anzufangen gezwungen war. Daraus erklärt sich
das teilweise Misslingen seiner ersten Versuche. Er erfuhr
nämlich mit einer Emulsion von Eiweiss und Leinöl und
mit einer anderen, von Kirschgummi und Leinöl, was später
Berger ü) bei ähnlichen Versuchen auch erlebte; die Gummi-
öltempera knäult beim Malen zusammen und wird so trocken,
dass sie mit der gleichen Tempera nicht wieder übergangen
werden kann, das heisst die Farbe perlt und tränt, der
Untergrund nimmt sie nicht an, wie sie denn auf getrock-
netem Oelgrund schlecht, auf feuchtem gar nicht haftet.
Ganz anders die Eigelböltempera. Sie ist selbst auf
auf nassem Oelgrund [d. h. mit Oel angefeuchtetem] leicht
aufzutragen. Aber Böcklin besass, wie gegen das Nussöl,
das sich zur Emulsion besser eignet, als das von ihm ver-
wendete Leinöl, eine entschiedene Abneigung gegen das
Eigelb. Und offenbar infolge dieser Abneigung hat er sich
nie zur Eigelbtempera entschlossenf")
gestattet zu erwähnen, dass diese Versuche ganz ohne Kenntnis
der Böcklinschen vorgenommen wurden, Sie sind zuerst ver-
öffentlicht worden in der Zeitschrift für bildende Kunst (Neue
Folge, VI. Heft 8 u. 9, 1895), dann ausführlich beschrieben in der
oben zitierten lll. Folge meiner Entwicklungsgeschichte der Mal-
technik (München, 1897).
i) Was hier folgt, bezieht sich auf die oftmals beobachteten
Unterschiede zwischen der Gummi-Oeltempera und der Ei-Oel-
tempera. Die oben angegebenen Mischungen hatte Böcklin
übrigens meist viel später und zwar 1896 und 1897 verwendet.
Vgl, den I. Abschnitt S. 5 und 6.
M) Diese Angaben sind irrig. Böcklin hatte die „Kreuzab-
abnahme" 1876 bereits mit Eigelb- und Oeltirnis-Emulsion gemaltt
Die Abneigung gegen Eigelb ist darauf zurückzuführen, dass
Eigelb einen Farbstoff enthält, der auf alle hellen Farben mehr