Magere und fette Tempera. 125
für diese Art der Technik nicht existierte.
Böcklin verän-
derte fortwährend, vielleicht auch bei ein und demselben
Bilde. Aber durch alle diese Versuche wurde er mit
den Eigenschaften der Kirschharzternpera so vertraut,
wie wohl kein Maler vor ihm.
Was Frey von dem Wesen der Emulsion oder der
sog. Oeltempera berichtet, entspricht vollkommen
den jetzt allgemein angenommenen Grundlagen über
diese Mischung von Wässerigen und öligen Bindemitteln
(s. S. 83); nur wäre gegen den Satz: „Als Böcklin in
der mageren Tempera heimisch geworden war, lockte
es ihn 1889, auch die fette zu ergründen", einzu-
wenden, dass die von Böcklin gebrauchte Kirschharz-
tempera schon eine Form der "fetten" Tempera war,
da er die mit Wasser nicht "mischbaren Mittel, Balsam,
Terpentin oder Firnis, durch den Gummi emulgierte.
Frey gibt darüber Aufschlüsse, die zum grossen
Teil mit meinen Ausführungen über die „Oeltempera'"e)
übereinstimmen. Ich lasse hier diese Sätze folgen, weil
sie zur Erklärung der ganzen Technik beitragen:
"Magere Tempera nennt man die schon erwähnten
klebrigen, mit Wasser mischbaren Bindemittel, womit die
Farben angerieben wurden, und dann die mit den Binde-
mitteln gemischten Farben selbst. Fügt man nun diesen
Bindemitteln [durch inniges Verrühren] noch Oel oder Oel-
firnisse bei (Oelfirnisse heissen gekochte Oele und solche,
denenHarze beigemischt sind), so erhält man die fette
Tempera, oder wie sie auch wegen des ihre ganze Art
bestimmenden Zusatzes heisst, die Oeltempera.
1') Vergl. den Abschnitt "Die Oeltempera. Ein Versuch zur
Lösung der Frage von der Erfindung der Oelmalereü durch die
Brüder van Eyck", in der lll. Folge meiner Entwicklungsgeschichte
der Maltechnik, München 1897, S. 219.