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Züricher
Zeit.
Im folgenden Kapitel XXVIII „Wie oft die
Farben aufzusetzen sind", heisst es:
,.Alle mit Oel oder Gummi gemahlenen Farben darfst
du dreimal auf Holz setzen, Ist die Malerei fertig und
trocken, so iiberstreiche das an die Sonne gebrachte Werk
mit jenem Firnis (Vernition) und sobald er von der Wärme
abzuiiiessen beginnt, reibe ihn leicht mit der Hand und tue
es zum dritten Male und lasse es dann gänzlich trocknen."
Unter dem "Vernition" ist ein durch Lösung von
Harzen in Leinöl hergestellter Firnis zu verstehen.
(Kap. XXI.) t)
Dieses Theophilus-Rezept ist für die Tempera-
malerei der Angelpunkt, von dem Böcklin bei seinen
weiteren Versuchen ausging und deren er sich von
nun an immer mehr bediente. Nach den Angaben
von Würtenberger hätte der Meister die Kirschharz-
tempera in folgender Art bereitet (a. a. O. S. 11):
„Das Malmittel, mit dem er auch die [Farben anrieb,
bereitete er sich selbst und zwar auf folgende Weise: An
Kirsch-, Piiaumen- und Pfirsichbäumen ausgetriebenes Harz
wurde durch Destillieren [soll wohl heissen: Auflösen] an
der Sonne gelöst, oder aber durch Kochen iiber dem
Feuer, und zwar nicht direkt über dem Feuer, sondern im
Wasserbade. Die aufsteigenden Unreinheiten wurden ab-
geschöpft und, nachdem das Harz ganz gelöst war, wurde
die Flüssigkeit filtriert und dann zu neun Teilen mit einem
Teil Petroleum, Terpentin und Balsam Copaivae gemischt.
Die Mischung, die übrigens leicht ins Brennen gerät, wurde
Ü Die Theophilus-Technik ist als die Technik des 12. bis
14. Jahrhunderts anzusehen. Da Bleiweiss und alle Mischungen
dieser Farbe mit Eikläre angerieben wurden, ist die Technik
eigentlich nichts anderes als eine gelirniste Miniaturmalerei.
Vergl. meine Entwicklungsgeschichte der Maltechnik, III. Folge
(Mittelalter) S. 48 ff.