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Plastik
und
Malerei
Nun aber haben wir die darstellende Tätigkeit
des Malers für sich allein verfolgt, ohne uns um die
Weitere bildende Kunst zu kümmern, die Hildebrand
damit zusammenfasst. Er geht von der Voraus-
setzung aus, die Aufgabe, wie er sie formuliert,
"das Zutagefördern einer allgemeinen Raumv0rste1-
lung durch die Gegenstandserscheinung" sei für
den Bildhauer ganz dieselbe wie Für den Maler. „Die
Arbeit Beider wird durch dasselbe Vorstellungs-
bedürfnis geleitet, mögen auch die zu verwendenden
Mittel noch so verschieden sein." Auch für die
Plastik ist nach seiner Überzeugung das "Fernbild",
das reineleinheitliche Flächenbild von entferntem
Standpunkt, wie es erst von einer gewissen
Distanzschicht an auf unserm Sehfeld sich dar-
bietet, das einzige Mittel zur Lösung des Form-
problems.
Nach unsrer Ansicht vom Wesen der Malerei
kann ihr aber unmöglich dasselbe Gestaltungsprincip
innewohnen wie der Plastik; wir müssen auch für
diese zu einem abweichenden Ergebnis gelangen, so
schwer es werden mag, der Ansicht eines Bildhauers
von seiner eigenen Kunst entgegenzutreten.
Wir müssen, um mit ihm die künstlerische
Tätigkeit des Bildners zu verfolgen, zu dem grund-
legenden Experiment zurückkehren, wo als Objekt
für die Gesichtswahrnehmung ein Gegenstand (in
bestimmter Situation) mit Umgebung und Hinter-
grund gegeben, die Richtungslinie des Beschauers
fest gelegt, und nur der Abstand auf ihr verschieb-
bar gelassen war.