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Malerei und Plastik
Jedenfalls also giebt es in der Malerei beachtens-
werte, weder historisch noch theoretisch wegzuläug-
nende Gebiete, in denen die Gcsichtseindrücke, die
das Bild gewährt, nicht die volle Formvorstellung
von Gegenständen erwecken sollen. Licht und Farben
sind die mächtigen Faktoren, die uns die sichtbare
Erscheinung des All zu vermitteln im stande sind,
ohne irgendwie zur Raumform oder zum Körper-
volumen zu konkrescieren. Sie bestimmen die Ökono-
mie eines Bildes als Kunstwerk mit demselben Recht,
wenn nicht mit grösserem, wie die linearen Elemente
der Zeichnung, die monochrome Silhouette, die schon
gar nicht ohne die Hilfe jener beiden zu bestehen
und weiter-zukommen vermögen. In unsrer Alltags-
erfahrung verbinden sich allerdings die Farben zu-
nächst mit den Körpern, und das Licht erfüllt den
Raum, noch ohne sich als Medium geltend zu machen,
indem es ihn für uns erhellt. So ist es nicht anders
als natürlich, wenn die Malerei von jenem gegen-
ständlichen Interesse poetischer Erzählung aus, auch
zur Schärfe und Bestimmtheit in der Wiedergabe
der Dinge und ihres Schauplatzes weiter drängt.
Die Körperlichkeit mit ihrem materiellen Vollgewicht
heraufzubeschwören und die Räumlichkeit mit all
ihren Konsequenzen in den Rahmen des Bildes aufzu-
nehmen, ist aber ein kühnes Unterfangen, das die Ein-
heit der Flächenwirkung als solche zersprengen muss.
Die elementaren Mächte der Wirklichkeit zu bändigen
und in solchem Ausschnitt für den lautem Genuss
des Schauens zu beruhigen, dazu gehört eine sichere
Herrschaft über sie alle, und mehr als ein feinsinnig