Rein
Anschauung
malerische
diejenige Auseinandersetzung des Menschen mit der
Welt zu geben sucht, die keine sonstige Nachbarin
so zu geben vermag oder geben will, mögen
diese nun Poesie oder Baukunst heissen wie hier,
oder Mimik und sonstwie.
Wenden wir unsern Blick dagegen auf diese Zeiten
in der Geschichte der Malerei, wo die Annahme
eines festen Standpunktes für das Bild längst zur
selbstverständlichen Voraussetzung geworden war,
und wo das echt malerische Streben in eigenster
Ausbildung seinen Höhepunkt erreicht, um auch
dort zu fragen, inwiefern sie „die volle Form-
Vorstellung von dem Gegenstand erwecken" will.
Nehmen wir also ein Gemälde von Rembrandt oder
eine seiner Radierungen beliebigen Inhalts; genug,
wenn sein besonderes Vermögen für sich zum Aus-
druck kommt. Da tauchen aus dem tiefen Dunkel
die Lichterscheinungen auf und steigen zur Höhe
lebendigster Wirkung, ohne dass wir nach ihrer kör-
perlichen Gestalt Fur sich oder nach ihrem räumlichen
Verhältnis genau zu forschen veranlasst werden. Ja,
sobald wir die volle Formvorstellung von allen Gegen-
ständen solchem Bilde abzufragen begehren, so gehen
wir nicht allein der Einheit des Ganzen, sondern
auch des reinen Genusses an der echt malerischen
Leistung als solcher verlustig. Weshalb? Doch W01
nur, weil die Ökonomie der Erscheinungsfaktoren in
ein Gleichgewicht gebracht ist, das den Druck auf
einen einzelnen von ihnen nicht verträgt, ohne
Störung der Harmonie. Bildhauer und Baumeister
haben nicht mehr dreinzureden wie einst.