Einleitung
dürfen nicht vergessen, "dass der Mensch gar nicht
im stande ist, seine Vorstellungen ganz abzustreifen,
weil er eben mit ihnen sieht", schreibt auch Hilde-
brand selber (S. 30). Woher stammen sie? aus
allen Sinnen. Und der Gegenstandsvorstellungen
können wir ja ohnehin beim Anschauen eines Bild-
Werkes nicht entraten. Unsre Formvorstellungen
müssen uns zu Hilfe kommen, wenn es gilt, irgend-
welche ungewohnte Ansicht zu enträtseln. Sollten
wir nicht froh sein, wenn zwischen Gesichtsvorstel-
lungen und Bewegungsvorstellungen auch schon eine
natürliche Verbindung angebahnt läge, durch die
auf unsre anschaulichen Erfahrungen eine stetige
und unbeirrte Übertragung aus den Erfahrungen der
Tastregion stattündet, der wir die Greifbarkeit
unsrer konkreten Anschauungen verdanken? Ohne
die innige Verquickung der Tastgefühle und der
mannichfaltigen, aus den Erlebnissen unsres ganzen
Körpers stammenden Bewegungsvorstellungen, be-
sässen wir auch wol keine bildende Kunst, in erster
Linie jedenfalls keine Plastik.
Nach dieser Verwahrung im voraus dürfen wir
gern die Ausdrücke Hildebrands beibehalten, um
seinen Gedankengängen in ihrem lehrreichen Wert
für das Einzelne gerecht zu werden. Wir teilen ja
mit ihm als Kinder seiner Zeit die einseitige Be-
vorzugung der höheren Sinne und des abstrakten
Geisteslebens. Es gehört ein redlicher Anteil kri-
tischer Selbstbesinnung dazu, wenn wir uns be-
wusst werden, wo die historische Ursache zu suchen
ist, dass unsre Kunst nicht plastisch gestaltet in