Volltext: Plastik, Malerei und Reliefkunst in ihrem gegenseitigen Verhältnis (Bd. 3)

Einleitung 
dürfen nicht vergessen, "dass der Mensch gar nicht 
im stande ist, seine Vorstellungen ganz abzustreifen, 
weil er eben mit ihnen sieht", schreibt auch Hilde- 
brand selber (S. 30). Woher stammen sie?  aus 
allen Sinnen. Und der Gegenstandsvorstellungen 
können wir ja ohnehin beim Anschauen eines Bild- 
Werkes nicht entraten. Unsre Formvorstellungen 
müssen uns zu Hilfe kommen, wenn es gilt, irgend- 
welche ungewohnte Ansicht zu enträtseln. Sollten 
wir nicht froh sein, wenn zwischen Gesichtsvorstel- 
lungen und Bewegungsvorstellungen auch schon eine 
natürliche Verbindung angebahnt läge, durch die 
auf unsre anschaulichen Erfahrungen eine stetige 
und unbeirrte Übertragung aus den Erfahrungen der 
Tastregion stattündet, der wir die Greifbarkeit 
unsrer konkreten Anschauungen verdanken? Ohne 
die innige Verquickung der Tastgefühle und der 
mannichfaltigen, aus den Erlebnissen unsres ganzen 
Körpers stammenden Bewegungsvorstellungen, be- 
sässen wir auch wol keine bildende Kunst, in erster 
Linie jedenfalls keine Plastik. 
Nach dieser Verwahrung im voraus dürfen wir 
gern die Ausdrücke Hildebrands beibehalten, um 
seinen Gedankengängen in ihrem lehrreichen Wert 
für das Einzelne gerecht zu werden. Wir teilen ja 
mit ihm als Kinder seiner Zeit die einseitige Be- 
vorzugung der höheren Sinne und des abstrakten 
Geisteslebens. Es gehört ein redlicher Anteil kri- 
tischer Selbstbesinnung dazu, wenn wir uns be- 
wusst werden, wo die historische Ursache zu suchen 
ist, dass unsre Kunst nicht plastisch gestaltet in
	        
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