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Einleitung
lichen Gesichtsvorstellung hindurch zu ermöglichen,
geht Hildebrand von einer Weiteren Unterscheidung
aus. Den künstlerisch durchgebildeten „Flächenein-
druck", in dem dies Heil gefunden wird, soll „das
ruhig schauende Auge ohne Bewegungstätig-
keit aufzunehmen im Stande sein" (S. also
muss auch das Auge im Zustande ruhigen Schauens
von der beweglichen Tätigkeit unsers sonstigen
Sehens unterschieden und isoliert werden. „Das
ruhig schauende Auge empfängt ein Bild, Welches
das Dreidimensionale nur in Merkmalen auf einer
Fläche ausdrückt, in der das Nebeneinander gleich-
zeitig erfasst wird" (I0
Gegen die Trennung unsrer Wahrnehmungen
durch däs Sehorgan „in eine rein schauende und in
eine sich rein bewegende Augcntätigkeit" regt sich
nun aber das stärkste Bedenken, besonders wenn sie
mehr bedeuten soll als eine wissenschaftliche Hilfs-
konstruktion, die unser logisches Bedürfnis behufs
begrifflicher Klarheit aufstellen und, solange sie ihrer
nicht entbehren kann, in abstracto aufrecht erhalten
mag. Zugegeben, dass der Einzelne zum Behuf
experimenteller Beobachtung recht Weit in dieser
Scheidung auch tatsächlich gelangen könne, so
bleibt sie doch im natürlichen Verkehr mit der um-
gebenden Welt, so wie der freie Wechsel dieser
Möglichkeiten aufgehoben und die eine bevorzugt
werden sQll, etwas Erzwungenes, vielleicht Unkon-
trollierbares. Es erhebt sich also von vorn herein
der Zweifel, ob ein gesundes Kunstschaffen auf dieses
künstliche Princip gegründet werden darf, dessen