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Reliefanschauung und Dekoration
unsres Sehapparates werdenmafsgebend. Da stellt
sich bald eine Scheidung ein zwischen dem schwei-
fenden Blick, der jenen Körperbewegungen sich an-
zuschliessen vermochte, und dem ruhiger verweilen-
den Schauen, das sich von dieser Verbindung los-
zumachen im Stande Wäre, sowie einmal die Mög-
lichkeit zum Gefühl gekommen. Erst wenn auch
der Beschauer selbst stillsteht, vollzieht sich die
Scheidung wirklich, je nachdem die relative Ruhe
oder die Bewegung in der rastlosen Tätigkeit des
Auges die Oberhand erhält oder das Ergebnis cha-
rakterisiert. Dem schweifenden Blick, dem wechseln-
den Standpunkt, dem entlang gleitenden Tastorgan
wie der Hand, so des Auges bleibt die Wand
und dasSehfeld darauf eine Fläche oder wenigstens
ein Zweidimensionales, dessen ebene Ausdehnung
alle etwaigen Protuberanzen überstimmt. Sowie der
Beschauer jedoch auf einem festen Standpunkt be-
harrt, macht sich auch die Neigung des Sehfeldes
bemerkbar, sich zur sphärischen Fläche einzurunden,
oder unser Auge fängt an, in die Tiefe zu streben,
d. h. auch auf die Ebene der Wand die Forderung
der dritten Dimension zu übertragen. Nun aber
giebt es in dem rechtwinkligen Raum, den wir als
Paradigma behandeln, bevorzugte Grundrichtungen,
in denen sich die Bewegung des menschlichen Sub-
jekts vollzieht, also auch bevorzugte Richtungsaxen
des vorwärtsschauenden Blickes, der in die Tiefe
dringt. Sind die vier Wände nahezu gleich, der
Grundriss also fast quadratisch, so sind die Mittel-
punkte der vier Wände gleich berechtigt und als