192
Reliefanschauung und
Dekoration
polis, zum Kapitol, zur Walhalla. Die Säulen auf
der letzten Stufe, dem Stylobat selber, sei es mit
Fussplatte und Wulst oder ohne sie in einfacher
Ausladung des dorischen Schaftes nach unten,
sie beweisen, dass hier die Kurvatur des Übergangs
vor dem entschieden senkrechten Aufsteigen zur Höhe
Wirksam genug waltet. Wo statt der Säulen, dieser
eminent plastischen voll ausgerundcten Bauglieder,
dagegen die massive Mauer aufsteigt, wie am Unterbau
des Mausoleums von Halikarilass oder der Altarstätte
von Pergamon, da bietet die Wandfläche, wol gar durch
Stufengang daneben erstrecht herausgefordert, eine
Zone des Anlaufs für unsern Blick, der in vorquellen-
den Formen nach unten, in zurückweichenden nach
oben seinen bildnerischen Ausdruck sucht, und ent-
weder in analogen Kurven tektonischer Profile oder
vollends in plastischer Gestaltung befriedigt wird.
Jemehr wir durch die leise Neigung unsres Augen-
paares nach abwärts dazu kommen, den Erscheinungen
dieser Sockelregion sozusagen auf den Kopf zu sehen,
da nähert sich dieses Sehen der abtastenden Prüfung
ihres Volumens, die das Vorhandensein dreidimen-
sionaler Körper ausser uns konstatiert. "Vorhanden
sein" heisst im ursprünglichsten Sinne unsrer Mutter-
sprache ja „vor Handen sein", d. h. in greifbarer
Nähe, im Umkreis der Tastregion.
Grade im untersten Streifen des monumentalen
Raumkörpers dicht über dem Fussboden liegt also
ein Bereich für die Gestaltung, wo ihr die mächtig-
stenAssociationen mit den Erfahrungen unsres eigenen
Leibes entgegenkommen, wo überall die Analogieen