184
Die Relief kunst
sondern nur teilweise veranschaulichen lassen, also
der ergänzenden Nachhülfe der Phantasie bedürfen.
Damit aber wird die an sich schon successive Auf-
fassung im Verfolg des durchgehenden Zuges noch
transitorischer, ja sozusagen kryptopoetisch. Nicht
allein Verkürzungen und Überschneidungen rechnen
mit einer Stärke der dritten Dimension, die sich
nicht im Relief selber bewährt, sondern auch der
Kausalnexus giebt uns Anweisungen auf eine da-
hinter liegende Welt, die wir nicht gewahren. Das
Alles drängt weiter und findet eine gemeinsame
Möglichkeit der Befriedigung erst dann, wenn die
Einheit nicht mehr in der Körpervorstellung, im
Sinne des plastischen Schaffens gesucht wird, son-
dern in der Raumvorstellung, nach Art der Malerei.
So entsteht die dritte Hauptklasse des Reliefs, die
wir aufgestellt haben:
Das Tiefrelief ist es, das die künstlerische
Einheit von den Körpern auf den Raum verlegt und
diesem räumlichen Zusammenhang die tonangebende
Rolle im Ganzen überlässt. Wenn aber die Einheit
nicht in der ersten und zweiten Dimension, die
schon die Fläche bietet, sondern erst in der dritten
erreicht werden kann und soll, so muss diese Tiefen-
dimension mächtiger werden, als sie im Gestaltungs-
raum der Reliefschicht bisher in allen Fällen ge-
wesen ist. Nicht mehr das reale Tiefenmafs der
Körper ist der entscheidende Faktor, noch der
Körperschein im Nebeneinander einer gemeinsamen
Flächenschicht, sondern eine Mehrzahl von solchen
Gründen schiebt sich hintereinander, die obere Luft-