Das Fernbild des Malers
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Standpunkt an, indem sie nicht allein die Rich-
tungsaxe, auf den Centralpunkt dieser perspekti-
vischen Konstruktion zu, sondern auch die normale
Distanz zwischen der BildHäche und dem Auge des
Beschauers bestimmt. Die dargestellte Raumtiefe,
die im Gemälde vor dem Beschauer liegt, ist ebenso
gross wie die wirkliche vom Beschauer bis an die
Bildfläche, d. hfdie innere Distanz des Central-
punktes von der Oberfiächc in ihrem Rahmen ist
gleich der äussern Distanz des Rahmens vom Auge
des Betrachters. .Wcnn dagegen nicht von der
Raumdarstellung, sondern von der Figurendarstel-
lung ausgegangen wird, und der Mafsstab der Nor-
malfigur des Vordergrundes möglichst gleich der
Höhe der Bildfläche angenommen ist, so rückt mit
dieser umgekehrten Rechnung auch der Beschauer
aus der früher angewiesenen .Entfernung in viel
grössere Nähe. So weit auch faktisch sein Abstand
von der Bildwand sein möge, imaginär ist er den
Gestalten, oder sind die Gestalten ihm näher als bei
jenen Musterstücken perspektivischer Raumdarstel-
lung. Man vergleiche als solches etwa Peruginos
Schlüsselübergabe in der Cappella Sistina mit
Mantegnas Triumphzug aus Mantua.
Noch weiter belehrt uns aber Rafaels Teppich-
karton mit dem Hinweis des guten Hirten auf seine
Herde „Pasce ovcs". Jedermann wird sagen, dass
Rafaels Bild sich der Reliefvorstellung nähert, obwol
eine ziemlich umfassende Landschaft als Schauplatz
bei der Erscheinung des Auferstandenen mitwirkt. Die
Gestaltenreihe ist aber weit mehr „aus der Nähe ge-