Lebensabend und Tod.
Charakteristik.
mantel lose um Schultern und Hüften drapirt und blickt mit der ganzen an-
erzogenen Würde und Grandezza auf die halb ehrfurchtsvoll, halb ironisch
gestimmten Enkel hinab. Der Rahmen ist so reich wie die Tracht und trägt
womöglich eine Krone. Wir haben Mühe uns zu überzeugen, dass wir es
mit den Bildern schlichter Bürgersleute zu thun haben, dass der Mann mit
Ausnahme der Stunden, in denen er dem Maler sass, ein tleissiger Geschäfts-
mann war und die so hoheitsvoll dreinblickende Frau Gemahlin ihm höchst-
eigenhändig die Strümpfe stopfte. Ihre Bilder würden heutzutage in einer
Ahnengallerie Figur machen. Der Ausdruck einer ganz andern Zeit sind die
Graff'schen Portraits. Auf die Zeit der Verfürstlichung war die der Ver-
brüderung, der Menschenfreundschaften gefolgt, in der Bettler Fürstenbrüder
wurden schon lange vor der Revolution. Bei uns gipfelte die Bewegung auf
der einen Seite in den Freundschaften und Freundschaftsoden Klopstocläs,
Gleims und der Barden, auf der andern in der idealen Verbindung Goethe's
und Karl Augusts Wie in der Periode vorher der Bürger den Fürsten nach-
"affte, so wurde in dieser Zeit der Fürst zum Bürger. Man liess sich dem-
gemäss auch nicht mehr als Fürst portraitiren sondern als Mensch. Damit
hörte alle erheuchelte Grandezza auf, und an die Stelle der steifen Posen
traten genrehafte Motive der ungezwungenen alltäglichen Natürlichkeit, die
50 jahre vorher so unbegreiflich gewesen wären, wie wenn heute sich einer
wollte in der Schlafmütze abnehmen lassen.
Wie von den Bildern der unmittelbar vorhergehenden Periode sind die
Graftischen Portraits auch von denjenigen der gleichzeitigen deutschen Meister,
besonders denen johann Heinrich Tischbein's scharf unterschieden. Keiner,
auch Tischbein nicht, hat so meisterhaft wie Graff vermocht die geistige In-
dividualität der darzustellenden Personen auf der Leinwand wiederzugeben.
Das haben bereits die Zeitgenossen erkannt. „Ich habe mehr als einmal
bemerkt", schreibt Sulzer in der Theorie der schönen Künste, „dass ver-
schiedene Personen, die sich von unserm Graff, der vorzüglich die Gabe hat
die ganze Physiognomie in der Wahrheit der Natur darzustellen, haben malen
lassen, die scharfen und empfrndungsvollen Blicke, die er auf sie wirft, kaum
vertragen können, weil jeder bis in das Innere der Seele zu dringen scheint".
Und in ähnlicher Weise sagt von ihm ein anderer Zeitgenosse in der Augs-
burger Allgemeinen Zeitung von 1803: „Graff trifft, wie man sagen möchte,
in höherm Sinne; er malt nicht den Leib sondern den Geist und weiss fast
immer mit einem unglaublich glücklichen Takt den Moment zu ergreifen, wo
sich nicht blos eine oder die andere charakteristische Eigenthümlichkeit sondern
die ganze Individualität des Innern in dem ruhigen Aeussern abspiegelt"
Was bei den GrafPschen Bildern am angenehmsten auffallt, ist das har-
monische Verhältniss von Draperie und Fleischtheilen. Graff leistet in der
Stoffmalerei, namentlich in der Wiedergabe von Pelzwerk, Sammet und Seide