Die
Berufung nach Dresden.
ohne weitern Verzug hingehen. In Zeit von vierzehn Tagen werde ich also
das Portrait über Leipzig an Dieselben versenden; ist es dann, dass es Ihnen
gefällt, so wird der ehrliche Mann Graff bald folgen; ist es aber, dass es
Ienenselben noch nicht genugthun kann, so reist er nicht auf Ungewisses hin,
und Sie sind versichert, dass Sie nicht einen mittelmässigen Künstler ver-
schrieben haben. Von der Zeit an, da das Portrait gemalt worden, hat er
übrigens die Manier zum Vortheil geändert und ist auf ein lebhafteres Colorit
gefallen. Wenn noch das eine und das andere an seiner Arbeit zu tadeln
ist, so Weiss ich gewiss, dass er unter der Kritik von Kennern sich in wenig
Zeit bessern wirdtil)
Hagedorn musste sich wohl oder übel auf diesen Vorschlag einlassen
und gab mit den Worten: "Der Bildnissmaler Graff hat aus Misstrauen in
seine Kräfte erstlich sein eigenes ihm sehr ähnliches Bildniss, das er vor
geraumer Zeit gemalt, mittlerweile er sich, wie ein andrer anmerkt, in der
Kunst stärker gemacht, aus Zürich abgeschickt und wird sodann die Bestätigung
oder die Zuschreibung des letzten gnädigsten Befehls in Ehrfurcht erwarten" 2)
dem Prinzenadministrator über die von ihm erzielten Erfolge Nachricht.
Am 16. Januar 1766 langte GrafPs Bild in Dresden an. Man braucht in
der That nur einen vergleichenden Blick von den geschminkten und ge-
spreizten Portraits, wie sie seither in Dresden gang und gäbe waren, auf diese
einfach anspruchslose, mit der grössten Liebe gefertigte Arbeit zu werfen, um
in den allgemeinen Beifall einzustimmen, mit welchem es von Hoch und
Niedrig begrüsst wurdeß) Bereits am folgenden Tage konnte Hagedorn in
einem Schreiben an den Prinzenadministrator die genauen Bestimmungen wegen
Graff's Anstellung formuliren.
"Nachdem das gestern eingelaufene Bildniss des Malers Graff in Winter-
thur bei Zürich gnädigsten Beifall erhalten", schreibt er, "auch andere von
Augsburg aus eingelaufene Nachrichten, wie wohl man mit ihm persönlich und
mit seiner Geschicklichkeit im Treffen zufrieden, sattsam darthun, so habe
ich die Sache bis auf Ew. k. Hoh. Entschluss nunmehro dahin eingeleitet,
dass besagter Künstler Graff
1) in wirkliche kurfürstl. Dienste allenfalls mit einer ihm in originali
mitzutheilenden höchsten Versicherungsresolution angenommen und ihm zu-
I) Briefe von Mitgliedern der Akademie an Chr. Luclw. von Hageclorn im kg]. sächs.
Irlauptstaatsarchiv.
2) Acta die neuerrichtete Kimstakademie betreffend im kgl. sächs. Hauptstaatsarchiv.
3) Es ist das Bild N0. 1971 der Dresdener Gallerie, in meinem Verzeichniss N0. 3.
Im Dresclener Cataloge findet man fälschlich das Bild N0. 1970 (bei mir 117), das Graff im
Alter von 58 Jahren darstellt, als Receptionsbild angegeben. Meine Annahme, dass N0. 1971
das Receptionsbild sei, erhellt aus der Neuen Bibl. d. schönen W. u. fr. K. II, p. 158.