Winterthur
'1756y
siebenten aus der Ehe entsprossenen Kinde, haben wir unsern Anton zu
begrüssen. I)
„Ich bin 1736 den 18ten November in Winterthur geboren". Mit diesem
Satze seiner Selbstbiograrlhie hat Anton Graff sümmtliche Controversen über
sein Geburtsdatum erledigt. Der zoste November, der oft als sein Geburts-
tag angegeben wird, ist nicht dieser, sondern der Tauftag. Auf weichem
Irrthum die andere Angabe beruht, welche ihn 1730 statt 1736 geboren sein
lässt, ist unersichtlichß) Am zweiten Tage nach der Geburt wurde er von
Hans Rudolf Studer und Frau Anna Ziegler aus der Taufe gehoben.
Ueber seine ersten jugendjahre ist wenig überliefert. Wie alle aufge-
weckten Knaben zeigte er in der Schule keinen grossen Fleiss und war des-
halb kein Liebling seiner Schulmeister. „Alles machte mehr Eindruck auf
ihn als die Lese- und Schreibkunst; selbst die derbsten Schlage und das
Haarraufen des Magisters vermochten nicht mehr als den neuen Schüler
binnen wenig Wochen kahl zu machen, so dass er den nackten Kopf mit
einer Perücke bedecken musste, die hernach den übrigen Schülern zum Spiel-
zeug diente". Dagegen wirkte auf seine künstlerische Ausbildung die Lang-
weiligkeit des Schulmeisters anregend ein. "Während der Schulstunden ver-
fiel er auf das Zeichnen, und da die Papiere, welche zum Schreiben bestimmt
waren, nicht dazu durften verwendet werden, so mussten die ledernen Bein-
kleider deren Stelle vertreten. Glücklicher Einfall! Ohne dich wäre Graff
ungeachtet der Abneigung für Lesen und Schreiben ein Pfarrer oder sonst
so was geworden. Denn sobald die Beinkleider von vorne und an den
Seiten bemalt waren und Figur auf Figur stand, so musste das Genie jeder-
mann in die Augen 1euchten".3)
S0 war scheinbar, als Antoni Ostern 1753, 1612 Jahre alt, die Schule
verliess, sein zukünftiger Beruf schon festgesetzt. Der Einzige, der sich seinem
künstlerischen Triebe gegenüber skeptisch verhielt, war sein Vater. „Die
Freude, die ich von jugend auf hatte Bilder zu sehen, erregte in mir den
Wunsch ein Maler zu werden. Mein Vater wollte dazu durchaus nicht ein-
willigen, ich sollte
Plane günstig: es
sein
war
Geschäft erlernen".4) Nur ein Umstand war seinem
kurz bevor er confmnirt worden war, eine Zeichen-
1) Auszug aus den Pfarrbüchern von Winterthur.
2) Den I0. November 1736 gibt Marggraff in seinem Kataloge der Münchener Pina-
kothek, den 20. November 1736 Hübner in dem Kataloge der Dresdener Gemiildegallerie
als GrafPs Geburtstag an; 1730 lassen ihn die Kataloge von Basel, Leipzig, WVeimar und
Zürich geboren sein. Alle diese Angaben sind irrthümlieh.
3) Beide Stellen entnehme ich der bloss handschriftlich vorliegenden, 1768 von Hei-
Clegger verfassten, jetzt im Besitze des Hrn. Wilhelm Kraukling in Dresden befindlichen
Biographie. _
4) Vergl. die im Anhange veröffentlichte Selbstbiographie des Künstlers.