eitung.
Einl
A NTON
GRAFF
ist
wie
manchem
andern
Künstler
des
achtzehnten
jahrhunderts ergangen. Von seinen Zeitgenossen wurde er überschätzt, mit
Tizian, Van Dyck, Rembrandt verglichen; die nachfolgende Generation zuckte
spöttisch über ihn die Achseln; erst in unserer Zeit hat die Ueber- und
Unterschätzung einer gerechten Anerkennung Platz gemacht.
Bei einer eigenthümlichen Gelegenheit ist die Aufmerksamkeit wieder auf
die GrafFschen Bilder gelenkt worden: als dem Bestreben, die Werke unserer
Classiker in der ursprünglichen Gestalt ihres Textes herzustellen, sich die
Forderung anreihte, auch von der äussern Erscheinung unserer grössten
Denker und Dichter alle willkürlichen und phantastischen Vorstellungen zu
beseitigen, als es galt, die unzweifelhaft echten und besten Originalbildnisse
derselben zusammenzusuchen.
Da zeigte sich zunächst die culturgeschichtliche Wichtigkeit der Graff-
schen Bilder. Der ganze grosse Zeitraum von da an, WO das gepuderte
Haar mit Haarbeutel, der bunte Sammetrock mit Halsbinde und jabot, die
Kniehose mit seidenen Strümpfen aufkommt, bis dahin, wo Friedrich Wilhelm II.
anstatt "in Kniehosen in langen Pantalons im Bade zu Pyrmont erscheint und
nach dem Vorgange Karl Augusts von Weimar der Zopf schwindet, das
freie Haar in schlichter Anordnung sein Recht wieder erhält, also die Spanne
von mehr als einem halben Jahrhundert ist durch die Graff'schen Bildnisse
vertreten. In dieser Zeit hat kaum ein grosser Fürst, Staatsmann, General,
Gelehrter, Dichter, Künstler, Kaufmann in Deutschland gelebt, dessen Züge
nicht von GrafPs Pinsel auf die Leinwand gebracht wurden.
Es zeigte sich ferner auch die künstlerische Wichtigkeit seiner Portraits,
und zwar in besonders günstiger Weise vor zwölf Jahren, als man den
Versuch machte, die hervorragendsten Bildnisse Lessings zusammenzustellen.
Muther, A. Graff. 1