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Zweiter Teil.
tesken von Candid herrühren, hat von jeher gegolten und kann
auch nicht bezweifelt werden. Wir halten es sogar für wahr-
scheinlich, dafs er auch vielfach an der Ausführung teilgenommen
habe, doch läfst sich darüber nichts Bestimmtes sagen, da die
Grottesken neuerdings stark übermalt sind, so dafs ihnen der
Reiz der Unmittelbarkeit fehlt, und ihnen jene Leichtigkeit ab-
geht, die wir in den Grottesken der Treppe beim Theatiner-
gange so sehr bewundern mufsten. Ihrem Wesen nach sind
sie von diesen nicht verschieden, nur dafs die Zahl der Motive
bedeutend gewachsen ist. Auch sind hier in das leichte Ge-
webe spielender Ornamentik viele kleine figürliche Darstellungen
eingeflochten, die unseren Künstler auch als einen geschickten
Genremaler, als den wir ihn in den Teppichentwürfen noch
näher kennen lernen werden, kennzeichnen und sein niederlän-
disches Blut verraten.
Die Ornamente selbst zeigen auf hellem Grunde in uner-
schöpflichem Wechsel ein Verschmelzen und Verquicken der
heterogensten Dinge, wie aus einem Füllhorne scheint alles aus-
geschüttet zu sein, aber dennoch geordnet und gelagert nach
ganz bestimmten symmetrischen Linien und Verhältnissen.
Nirgends tritt Überfülle, nirgends Leere ein. In voller Be-
herrschung der Schönheitslinie Wufste der Künstler sich die
ganze Natur mit ihren verschiedenartigen Elementen unterthan
zu machen, um jene mit denselben zart und spielend zu um-
kleiden. Menschliche Gestalten in leichter Gevvandung stehen
zwischen Lauben aus zierlichem Stabwerk, geflügelte und un-
geflügelte Grenien schweben umher, lustige Putten halten sich
an Stab- oder Rankenwerk, muntere Satyrn drehen sich fröh-
lich im Tanze, wundersame hybride Gestalten, häfsliche Drachen,
auf deren schlanken Hälsen sich kokette Frauenköpfchen mit
zierlichem Haarputz wiegen, in Ranken- und Blütenwerk endi-
gende oder in kräftige Voluten auslaufende schöne Frauen-
leiber und andere Mischwesen werden von reichem Ranken-
Werk umschlungen, in dem eine von leichten Linien durch-
zogene Blüte, aus der ein üppiger Fruchtkolben herausquillt,
immer wiederkehrt. Und mit welcher Mannigfaltigkeit ist in
das ganze Greschlinge die Tierwelt hineingezogen. Kletternde
Affen nnd Eichhörnchen, springende Pferdchen und Hündchen,