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Zweiter Teil.
Wir bemerkten früher I), dafs aller Wahrscheinlichkeit nach
die Bronzestatuetten der vier Jahreszeiten im Garten des baye-
rischen Nationalmuseums, die wir mit den im Grottenhöfchen
erwähnten identifizierten, ungefähr gleichzeitig mit den Arbeiten
in dem südlichen Residenzgarten entstanden seien und ver-
sprachen bei Betrachtung dieser eine Schilderung derselben zu
geben.
Den Frühling stellt eine jugendliche weibliche Gestalt dar,
der das leichte Gewand, in dem sie Blumen trägt, von der
Schulter herabgefallen ist. Ihre Rechte, die nach dem sich
rechts Wendenden Kopfe, den ein leichter Blütenkranz umgiebt,
geführt ist, hielt wohl ursprünglich eine Blume. Unbekleidet
erscheint der Sommer, eine schön geformte Frauengestalt, über
deren linke Schulter ein reichverziertes Band geht. Sie hat
ihren linken Fufs auf ein Füllhorn gestellt, das mit Früchten
und Ähren gefüllt von ihrer Linken gehalten wird, während
ihre Rechte eine Sichel fafst. Ihr geflochtenes Haar, in das
einige Ähren hineingesteckt sind, ist teils aufgenommen, teils
fällt es frei herab und wird von einem Diadem umgeben.
Mit einer Weinschale, in die er aus einer in der Rechten hoch
gehaltenen Traube Saft Hiefsen läfst, steht der Herbst da, ein
Sparsa nitent asarota solo: fastigia fornix
Illaqueat: paries variato murice fulget.
Tota loci series octo divisa recedit
Partibus. Euterpe reperit scripsitque Thalia etc.
Thenn meint, dafs der Dichter bei einer so eingehenden Schilderung sicherlich
auch die Bavaria genannt haben würde, wenn sie damals schon dort gestanden
hätte, und hätte recht, wenn der Dichter eine Beschreibung des Hofgartens hätte
geben wollen. Das war aber garnicht seine Absicht, sondern die hier gegebene
Schilderung sollte ihm nur dazu dienen, die späteren Vorgänge einzuleiten, und-
steht auch zu diesen in engster Beziehung. In dem Argumentum, dafs dem Ge-
dicht vorausgeschickt ist, lesen wir, dafs "die Bavaria nach dreijähriger Trauer
freudig das Haüpt" erhebend auf ihrem Löwengespanne unter Hymens Gunst
nach Wien gefahren sei, und Vers 12g Ff. heiist es:
Interea rapido cursu delapsa Vienna
Boica Diva super, s-ummo stetit aethere contra
Caesareas arcas.
Durch diese Verse erhält die vorausgegangene Beschreibung des Rundtempels
die auch nur durch dieselben bedingt war, ihren Abschlufs.
U S- 95.