Volltext: Peter Candid

I22 
Teil. 
Zweiter 
In der Vorhalle eines Hauses, durch die man auf eine See- 
landschaft mit Bergen blickt, reicht die von links kommende 
Maria der sich ihr ehrfurchtsvoll nahenden, mehr von hinten 
sichtbaren Elisabeth die Hand. Links vorn blickt Ioseph auf 
einen Stock gestützt sinnend aus dem Bilde heraus. Hinter ihm 
stehen anmutig gruppiert die drei Begleiterinnen der Maria, 
deren eine ein Huhn hält und einen Tuchballen auf dem Kopfe 
trägt. Rechts im Grunde kommt Zacharias aus der Wohnung 
heraus und hebt staunend die rechte Hand. Über dem Ganzen 
Wolken mit blumenstreuenden Engeln. Nicht nur diesen, sondern 
auch dem Zacharias haftet noch ein Wenig von der Weise des 
Übergangsstiles an, und dies veranlafst uns, dieses Bild zeit- 
lich vor das zweite Augsburger Gemälde: Anbetung der Ma- 
donna durch Benedikt und Franziskus zu setzen, in dem wir 
Candid auf der Höhe seines Schaffens finden. Es ist ein An- 
dachtsbild in grofsem Stile. Wie auf dem Ulrich- und Afra- 
bide thront hier die Jungfrau mit dem Kinde auf einem Wolken- 
sitze, doch fehlen ihr aufser der Mondsichel, auf der ihr rechter 
Fufs ruht, die Attribute jenes Bildes. Ihr von einem lose an 
den Seiten abfallenden Kopftuche umrahmtes Haupt ist leise 
geneigt und inniger als auf jenem Bilde hat sie den Kleinen 
gefafst, mit ihm eine geschlossenere Gruppe bildend, die von 
hellem Lichtschein umstrahlt ist. Zu beiden Seiten bricht aus 
den Wolken ein Chor musizierender Engel hervor, der zart ge- 
halten ist, so dal's er gegen die Mittelgruppe zurücktritt. Unten, 
ebenfalls in einer Landschaft, in deren Hintergrunde Augsburg 
erscheint, knieen die beiden Heiligen, links im Ordensgewande 
mit dem Schlangenbecher Benedikt, dessen erhabene Ruhe, mit 
der er zur Maria emporschaut, in wunderbarem Gegensatze 
steht zu den schmerzlich bittenden Zügen der leidenschaftlichen, 
schwer mit sich ringenden Natur, die uns im Franziskus ent- 
gegentritt. Wie fein ist hier das Mafs des Realismus abge- 
wogen, das nicht nur in der Zeichnung, sondern auch in der 
Farbengebung dieser unteren Partie zuerteilt ist. Dieselbe ist 
kräftig und energisch im Gegensatze zu der grofsen Zartheit 
und Feinheit des oberen Teiles, der in der That aller Erden- 
schwere entrückt zu sein scheint. Wie hingehaucht sind hier 
die Farben, die nur vollendete Meisterschaft mit solcher Sicher-
	        
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