Einleitung.
wurde aus der Verborgenheit hervorgeholt, und in dem klaren
und erwärmenden Lichte, das sie spendete, vermochte das, was
man errungen und erarbeitet hatte, weiter zu bestehen und
reiche Frucht zu tragen. Was dem Humanismus nicht gelungen
War, hat die Reformation vollzogen. Indem Luther das religiöse
Bewufstsein von der Zufälligkeit erstarrter Formen befreite und
das Gewissen rettete, einte er Altertum und Christentum zu
einem kräftigen Bunde.
Eine ähnliche Bewegung und Wandlung fand statt auf dem
Gebiete der Kunst, nur nicht so stürmisch und gewaltsam, sondern
in langsamer Entwicklung. Nur in einzelnen Künstlergestalten
spricht sich klarer und bewufster das Ziel derselben aus. Von einer
Renaissance im Sinne der italienischen Kunst, in der das antike
Element, wenn auch nicht das Ganze ausmacht, so doch das
Wesen bestimmt, kann man in der deutschen Kunst nicht reden,
denn diese hat ihren alten Grund bewahrt, und nur auf ihm
entwickelt sich gesund und blühend ein neues Kunstleben.
Unter dem Einflusse des italienischen Kunstgeistes vollzogen
sich in den Formen bedeutende Wandlungen, aber der Grund-
zug ihres alten Wesens, die mit einer gewissen Derbheit ver-
bundene Kraft und Natürlichkeit ging in den guten Zeiten der
deutschen Renaissance nicht verloren.
Die deutschen Künstler konnten sich der mächtig auf-
blühenden Kunst Italiens nicht verschließen. Sie suchten die
Stätten, wo sie am glänzendsten ihr Dasein führte, auf, und
ohne ihrem eigenen Wesen untreu zu werden, woben sie das,
was sie als Wirkliche Errungenschaften erkannten, in ihre Werke
ein. Zuerst sind es die Maler und Bildhauer, erst später ent-
wickelt sich die Architektur.
Kräftig spürt man den neuen Zug in den Werken eines
Dürer und eines Holbein. Beide haben ihr Deutschtum zu wahren
gewufst, aber dennoch fühlt man es ihren Werken an, dafs
der Geist Italiens es ihnen angethan hat. Ihr Wesen offenbart
sich am reinsten in ihren Stichen und Holzschnitten, die uns in
ihrer volkstümlichen Frische und Ursprünglichkeit wie Kern-
Worte Luthers anmuten. In der Art, wie sie die Erzählungen
der Bibel zur Darstellung brachten, in der YVahl der entlehnten