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Zweiter
Teil.
dem Candid die Aufträge zu zwei Gemälden für die Ulrichs-
kirche zu Augsburg dankte, deren eines, die Heiligen Ulrich
und Afra in Anbetung vor der Madonna vor 1595 entstanden
ist, da es aus diesem Jahre einen Stich des Iohannes Sadeler
giebt, der die Mittelgruppe dieses Bildes, die Madonna mit dem
Kinde, gesondert in einem Ovale darstellt und die Bezeichnung:
joän: sadeler fecit et excudit 1595 trägt. Das Gemälde zeigt,
von einem reichen Kranze musizierender und jubilierender Engel
umgeben, im Mittel die mit dem Kinde auf dem Schofse auf
Wolken thronende Madonna, die durch die reiche, würclevolle
Grewandung, die Krone, das Zepter, das sie in der Rechten
hält, und die Mondsichel, auf die sie den linken Fuls gestellt
hat, als Himmelskönigin gekennzeichnet ist. Mit der Linken
hält sie den etwas unruhig sitzenden Knaben, auf dessen linker
Hand die durchsichtige Weltkugel ruht. Unten knieen in einer
Landschaft mit der Stadt Augsburg im Hintergrunde links der
heilige Ulrich im Ornat mit Buch und Fisch, rechts die heilige
Afra, die an einen Holzstofs gebunden ist, an dem die Flammen
hinaufzüngeln, und blicken innig und vertrauensvoll zu der himm-
lischen Erscheinung empor. Links unten steht die Bezeichnung
PEO CANDIDS F.
Noch hat der Künstler seine Höhe nicht erreicht, noch
leidet die Komposition unter dem Zwange der Farbe, die ihr
Recht geltend zu machen sucht. Den rechten Genufs gewährt
nur die Betrachtung einzelner Teile, der Madonna, des Ulrich,
des Kopfes der Afra und verschiedener Engelgruppen. Stark
beeinträchtigt wird das _Bi1d auch dadurch, dafs der Rahmen,
der dasselbe umschliefst der Altar, an dem sich dasselbe
befindet, wurde laut Inschrift erst 1629 errichtet zu klein ist,
und an den Grenzen willkürlich die Komposition abschneidet.
Trotz der Mängel verspüren wir schon in diesem Bilde,
dafs sich der Künstler einer höheren Kunstweise nähert und
sich bemüht, sein auf das Grofse und Monumentale gerichtetes
Wesen zur vollen Geltung zu bringen, ohne wie früher die
Farbe" als blofse Zuthat zu behandeln. In vollkommenerer Weise
gelingt ihm dies zum ersten Male in der Heimsuchung im Dome
VOn Freising, deren Vorzüge uns erraten lassen, durch welches
Mittel er zu einer natürlichen Durchdringung von Form und