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Zweiter Teil.
und einer Reihe von Werken, die uns zeigen werden, wie er
aus der Zerrissenheit wieder zu ruhiger Klarheit und zugleich
zur Höhe seines Schaffens kommt, liegt doch eine Kluft von
mehreren Jahren. Ehe wir jedoch an die Betrachtung der-
selben gehen, wenden wir uns einem Werke zu, das gerade
in der Zeit seiner Entwicklung entstand, dem Augustusbrunnen
in Augsburg.
Als Urheber des Augustusbrunnens gilt ganz allgemein
Hubert Gerhard und die Baumeisterbücher im städtischen Ar-
chive von Augsburg enthalten nichts, was diese Annahme um-
zustofsen vermöchte. Dennoch glauben wir, den Entwurf zu
demselben dem Candid zuschreiben zu müssen. Dafs Gerhard
kein selbständig schaffender Künstler war, haben unsere früheren
Erörterungen wahrscheinlich gemacht; in diesem Falle spricht
noch ein besonderer Umstand dafür, dafs er nach fremden Zeich-
nungen geschaffen habe. Bei einer allgemeinen Betrachtung
des Brunnens wird der Gegensatz in die Augen fallen, in dem
die Figur des Augustus mit den auf dem Rande des Beckens
gelagerten Figuren steht; zeichnet sich jener durch plastische
Ruhe aus, so erscheinen diese bewegt und in ihren Konturen
oft willkürlich und zerrissen, während auch sie ihrem ganzen
Wesen nach auf vornehme Ruhe und eine dekorative Linien-
führung Anspruch erheben könnten. Dieser Gegensatz wird
jedoch aufgehoben, wenn wir von der allgemeinen zur Einzel-
betrachtung schreiten, denn bei derselben wird sich ergeben,
dafs jede dieser Figuren von einem bestimmten Punkte aus be-
trachtet eine Ansicht bietet, die den genannten Bedingungen
mehr oder weniger genügt, und die mit dem Eindrücke, den
der Augustus macht, durchaus harmoniert. Bei der freien Auf-
stellung dieser Figuren konnte die einseitige Auffassung nicht
in der Absicht des Modelleurs gelegen haben, und es wird da-
her die Zufälligkeit und Willkürlichkeit des Linienspieles in den
übrigen Ansichten nicht seinem Willen, sondern vielmehr seinem
Unvermögen zuzuschreiben sein. Wie aber läfst sich dieses mit
jener wunderbaren Vollendung nur die weibliche Gestalt mit
dem Mühlrade ist nicht ganz gelungen in Einklang bringen,
die in dekorativer Hinsicht jene eine Ansicht offenbart! Es will
uns daher folgendes als wahrscheinlich erscheinen: Gerhard ar-