Volltext: Peter Candid

Einleitung. 
Die Erinnerung an die Schönheit der untergegangenen 
Welt war nie ganz erloschen, selbst in den "iinstersten" Zeiten 
des Mittelalters lassen sich zahlreiche Spuren einer solchen 
nachweisen I), aber sie war umdüstert, umnachtet und vielfach 
entstellt, man ahnte mehr die Schönheit, als dafs man sie ern- 
pfand. Da ergriff plötzlich mit heiliger Glut ein gewaltiger 
Drang die Gemüter, und ein heifses Sehnen ging durch aller 
Herzen, sich ganz in das Altertum zu versenken, von dessen 
einstiger Herrlichkeit gewaltige Trümmerreste zeugten. Je mehr 
man den Untergang der schönen Kunstwelt beklagte, urn so 
reger und lebhafter wurde der Wunsch, dieselbe wieder neu 
erstehen zu lassen. Eifrig spürt man allen Resten nach, be- 
deutende Ausgrabungen werden mit Erfolg betrieben, Anlagen 
von Antikensammlungen entstehen und ein methodisches Stu- 
dium der Archäologie beginnt sich zu regen; auch die grofsen 
Philosophen werden entweder wie Aristoteles aus falscher Hülle 
befreit oder wie Platon aus der Vergessenheit hervorgeholt, 
und es erhitzen sich die Gemüter, indem sie für den einen oder 
den anderen Partei ergreifen; man vertieft sich in die römischen 
Dichter und Historiker und sucht auch die Gestalten Homers, 
dem man sich nur mit heiliger Scheu nahte, und zu dessen Ver- 
ständnis man erst spät gelangte, in der Phantasie lebendig 
werden zu lassen. Und je tiefer man eindringt, je näher man 
sich der alten Welt fühlt, um so klarer wird das anfangs noch 
dunkle Bewufstsein, dafs man selbst ein Nachkomme derselben 
und wohl berechtigt ist, ihr Erbe zu sein. S0 kommt in die 
Bewegung ein patriotischer Zug, der treibend wirkt. Alte 
Römergestalten, vornehmlich Stoiker, ja auch Griechen wie 
Pythagoras und Sokrates werden als Muster und Vorbild hin- 
gestellt, so harmonisch und in sich abgerundet zu werden wie 
sie als ein hohes Ziel gepriesen. Es ist dies ein ästhetisches 
Element, aus dem sich am deutlichsten begreift, wie eng mit 
dem Humanismus der Trieb nach künstlerischer Gestaltung zu- 
satnmenhing, und wie fördernd jener auf diese wirken mufste. 
Wie aber stand es um die kirchlichen Verhältnisse? Die 
1) A. Springer, Das Nachleben 
neueren Kunstgeschichte. Bonn 
der 
der Antike 
1867. 
im 
Mittelalter 
Bilder 
3.115
	        
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