Nachdem in den sechziger ]ahren die Kunst der Söhne Nippons
bedeutungsvoll in die Kunstentwiclilung Europas eingegriffen, ihre
graziöse Willkür zunächst verblüffend, dann belebend auf die damals
in akademischen Banden und Regeln erstarrte Kunst eingewirkt
hatte, und da das Steinchen, das die Kulturgeschichte auf den
Wasserspiegel unseres Kunstlebens warf, noch heute immer weitere
Kreise zieht, dürfte es nicht ohne Interesse sein, das Gegenspiel
zu verfolgen, nämlich die NVii-kting der Kunst des Westens auf
die japanische.
Inwieweit hat die von Westen heransttirmende Kulturflut die
bildenden Künstler Iapans berührt, ihr Schaffen beeinflusst und einen
Wechsel in ihren Anschauungen und in ihrem künstlerischen Gesichts-
kreis hervorgerufen?
Dies darzuthun will ich in grossen Zügen in folgendem
versuchen.
Selbsterhaltungsgründe waren es, die vor nunmehr etwas über
dreissig Iahren Iapan bewogen. sich der europäischen Kultur in die
Arme zu werfen. Ihre eigene ehrwürdige Kultur veriiel dadurch
der Geringschätzung und musste es über sich ergehen lassen, dass
sie eine Zeitlang wie alter Plunder pietätlos behandelt wurdef)
Als Beispiel, wie damals in Japan unverantwortlich gehaust wurde, wie
selbst ganze Tempel und Pagoden, die zu den historisch berühmtesten gehörten, ge-
plündert wurden, mag folgender ltall dienen, dessen WVahrheit mir Herr Nomura, der
Vicedirektor des Museums in Kyoto, bestätigte. Die berühmte fünfstöckige Pagode des
Kofukujitenlpels in Nara wollten die buddhistischen Priester für 100 Yen (l Yen: 2 Mk.
5 Pfg) versclileudern; es fanden sich mehrere Händler von Altsachen, die auf die-
Serbe 50 Yen boten, um den Kurin, einen mächtigen, aus neun Ringen bestehenden
Brnnzeknauf, zu verwerten. Es wurde schon beraten, wie durch Untergrabting die
Pagode am besten zu Falle gebracht werden könnte: doch nur für 100 Yen wollten
die frommen Mönche sich von ihr trennen, während die Händler ihrerseits hofften,
dass die Mönche schliesslich ihr niedriges Gebot annehmen würden. Inzwischen trat
aber glücklicherweise ein Umschwung ein; durch ein Regierungsedikt wurde dem
barbarischen Ze1'störung"sxvesen, wenigstens im schlimmsten, Einhalt gethaxi.
ischcr,
mdlungen.