Volltext: Wandlungen im Kunstleben Japans

Blindheit gegen das sie umgebende [Leben zu Grunde irgehen müsse, 
im richtigen Gefühl, dass das unausgesetzte Kopieren feststehender 
Formen, die dem Künstler keine Freiheit erlaubten, nur immer 
schwächere Leistungen zutage fördern müssten, suchte 
Bann, der auf der religiösen Malerei lag. zu brechen 
Odem neuen Lebens einzuhauchen. 
Olcakura 
und ihr 
den 
den) 
Was für 
Kunst Christus, 
die christliche 
das ist iür 
die hiegratische 
Iapans Buddha; beide Gestalten bilden die räusgangsptinkte der 
religiösen Kunst Europas beziehungsweiseIapans. An der Hand 
der Darstellungen der beiden Gottheiten lassen sich die Ilnupt- 
unterschiede der beiden Kunstrichtungen verfolgen. 
Als gekreuzigter edler Dulder, die Dornenkrone auf dem 
schmerzverzerrten Haupt, das brechende Auge liinimelvvärts gerichtet 
und den bis zu den Hüften entblössten Leib mit blutenden Wunden 
bedeckt, tritt uns in den meisten Fällen Christus entgegen. Buddha 
jedoch wird vorwiegend mit gekreuzten Beinen auf einer Lotosblume 
sitzend dargestellt; seine Hände liegen im Schoss, während er mit 
dem Wohlgenährten, keinerlei {Empfindungen verratenden Antlitz 
gleichgültig vor sich hinsieht. 
Manche Schwärmer geheinmissen in die Zuge Buddhas un- 
ergründliche Weisheit und Tiefe hinein, was mir jedoch selbst bei 
den vollendetsten Statuen des Gottes nie gelingen wollte. 
Selbst auf den Freidenker wird, sobald sich dieser in den Kunst- 
Vorwurf als solchen versenkt, der gekreuzigte Christus als der für seine 
erhabenen Ideen duldende Mensch stets tiefen Eindruck machen. 
Sogar die Darstellungen unserer primitiven Meister fesseln uns bei allen 
Mängeln durch die tiefe, frommgläubige Empiindung, die sie ausströrnen. 
Die undramatische Figur Buddhas hingegen, die des Individuellen 
völlig entbehrt, Wirkt selbst in den besten Darstellungen nur dekorativ 
auf uns und erweckt in unserem Innern keine tiefen Empfindungen. 
Okakura suchte die hieratische Kunst dadurch zu regenerieren 
und aus ihrem Leichenschlaf zu erwecken, dass er die Künstler zur 
Darstellung neuer Motive aus den heiligen Schriften anregte und 
das Gebiet der allegorischen Malerei nicht nur auf die alten fest- 
stehenden Typen und Sagen erstreckt wissen wollte. sondern die- 
selben nach europäischem Muster zu erweitern suchte. 
Diesem, von den besten Intentionen erfüllten Mann fehlt nur 
die Erkenntnis, dass eine Neubelebung der japanischen religiösen 
Malerei, die seit Kose Kanaokas Zeiten ununterbrochen in demselben 
ausgefahrenen Geleise sich bewegt, unmöglich ist, wenn nicht mit 
der ganzen lNIethode zu arbeiten gründlich aufgeräumt wird.
	        
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