Zweitens handelt es sich um die Art der Vergrösserung, worüber ich a. a. O.
verschiedene Vermuthungen geäussert habe. B. hat seine Ansichten geändert und
leitet seine jetzige mit den Worten ein: „Wenn nun an dem fertigen ephesischen
„Tempel das Verhältniss 1 : 1,88 betrug, beim Heräon zu Samos 1 : 1,77, beim
„Oybeletempel von Sardes nur 1 : 1,74, warum soll es bei der ursprünglichen
„Anlage des ephesischen Tempels, eines der ersten Dipteralbauten, dessen Beginn
„dem des Heräon etwa gleichzeitig ist, nicht noch ungünstiger gewesen sein?'t
Zur Erläuterung berechnet er, wie der älteste dorische Tempel, ein Peripteros
in Sicilien, ausgesehen haben würde, wenn er ein Dipteros geworden wäre. Die
Richtigkeit jener Prämissen zugegeben, scheint mir aus ihnen eine andere Con-
clusion zu folgen: Da der ephesische Tempel auf jeden Fall etwas jünger war als
der samische, das Alter des Tempels in Sardes unbekannt ist (er kann eben so
Wohl unter Alyattes wie unter Kroesos erbaut worden sein), warum soll der ephe-
sische Tempel nicht ein günstigeres Verhältniss gehabt haben? Mit vollem Rechte
behauptet ja B. Kstlg. 2, 324 von jenen ältesten Architekten: „durch sie hat die
„Architektur eine feste Regel, einen bestimmten Styl gewonnen; es gilt nun zu-
„nächst nicht mehr, neue Formen aufzustellen, sondern auf der Grundlage des
„Gewonnenen das Einzelne auszubilden oder in neuen Verbindungen anzuwendenß
Jene Prämissen aber erlaube ich mir zu bezweifeln, wenn die gewöhnlichen
Angaben über die Grösse der Tempel (Müller Arch. ä 80) richtig sind und B.
nicht mir unbekannte Quellen benutzt.
Der Tempel zu Ephesus mass 425 : 225' z: 1 : 1,88
„ „ des Heraeon „ 346 : 189' z 1 : 1,83
„ „ in Sardes „ 261 : 144' : 1 : 1,81.
Drittens habe ich die Stelle des Solinus 40, 2 angeführt, wonach Xerxes den
Tempel wegen seiner Pracht verschont hat. B. zweifelt, „ob diese Schonung wirk-
„lich nur durch die Bewunderung des Kunstwerkes oder durch politische Rücksich-
„ten bedingt war." Ich weiss es nicht; worauf ich aber Gewicht legte, ist, dass
es erzählt werden konnte, d. h. dass der Gewährsmann Solins den Tempel als
vorher vollendet betrachtete. Er gehtvon Xerxes sofort auf Herostratos über,
von einer Vollendung in der Zwischenzeit spricht er nicht.
Viertens bestreitet B. meine früher von ihm gebilligte Behauptung, dass der
ephesische dem Tempel der Diana in Rom zum Muster diente. Seine Bemerkung, „wie
ngefährlich es sei, eine Angabe bei U. zu benutzen, ohne den genauen Wortlaut der
„Quel1en im Zusammenhangs zu prüfen", ist gewiss begründet; ich glaube, sie gilt
allgemein allen Angaben neuerer Schriftsteller gegenüber, von denen in diesem Falle
auch z. B. Duncker (a.Gesch.4, 106) denselben anstössigen Ausdruck „zum Muster"
ohne Weiteres gebraucht. Wenn man die Darstellung bei Dionys. 4, 25 ff. und Aur.
Victor vir. ill. 7 allein läse, so würde man glauben, dass Servius Tullius durch das
Beispiel des ephesischen Heiligthums allein dazu bewogen wurde, einen lateinisch-
römischen Bundestempel zu bauen; wobei man sich wundern müsste, warum er