Vergleich mit
der Antike.
strengen Auseinanderhaltung der einzelnen Gelenke hängt nun aber
auch mit dem grösseren Gegensatze zwischen den Figuren der Alten
und Michelangelds zusammen, in welchem wir den Hauptgrund ihres
verschiedenen Charakters zu finden haben werden. Es ist die Art
von Stellungen, welche beide darstellen, die einfacheren, natürlicheren
elastisch gebogenen Wendungen und Haltungen des ganzen Körpers
bei den Griechen, die gezwungenen, mannichfaltigeren, contrastiren-
deren Verschränkungen der einzelnen Glieder bei Michelangelo.
Zweierlei ist zu unterscheiden, wenn wir zuerst rein äusserlich
den eben angedeuteten Gegensatz der Arten von Körperstellung fest-
stellen wollen. Erstens die Beweglichkeit jedes einzelnen Gelenkes
nach der einen oder andern Seite hin wird bei den Griechen fast nie
oder doch nur bei Darstellung ganz gewaltsamer Anstrengungen, wie
in den Reliefs von Amazonen- und Kentaurenkämpfen, bis zur äussersten
Grenze des Möglichen in Anspruch genommen, während wir bei
Michelangelo selbst in ruhenden Figuren bald die Hüfte bald das Knie
vollkommen bis zum Extrem gebogen sehen. Die Griechen mochten
die Maschine des Skelets gleichsam nicht so stark angreifen, dass man
nun merken musste: es geht nicht weiter, ohne zu biegen oder zu
brechen; Michelangelo im Gegentheil gefällt sich, so scheint es, darin,
uns an jeder Stelle zu zeigen: bis hierher und nicht weiter. Zweitens
aber nehmen die Griechen, um mit der Bewegung eines Gliedes in
irgend einer Richtung doch beträchtlich ausgreifen zu können, die
verschiedenen Gelenke desselben in eben dieser Richtung überein-
stimmend in Anspruch; Michelangelo dagegen bewegt oft das eine
Gelenk nach der einen, das folgende wieder nach der entgegengesetzten
Richtung. Er macht so einzelne starke Biegungen oder Reckungen,
ohne dass doch im Ganzen ein" grösserer Etfect der Bewegung heraus-
kommt; die Griechen dagegen erreichen durch eine massige, aber in
gleicher Richtung vereinigte Wirkung mehrerer auf einander folgen-
der Gelenke doch ein wirksames Ausgreifen oder Anziehen der End-
glieder, Hände, Füsse oder Blicke. Diese doppelte Verschiedenheit
in den Körperstellungen hat natürlich erst recht, wie die verschieden
durchsichtige Behandlung der Körperoberfläche, die Folge, dass die
abgesetzte Gliederung in einzelne ganz feste Stücke bei den Griechen
weniger, bei Michelangelo mehr streng durchgeführt sein muss. Denn
Wenn die Gelenke bis zur Grenze ihrer Beweglichkeit geführt sind,