des
Die Menschen
Michelangelo
Kopfes nach der Seite, verstärkt die unnatürliche Verbiegung desselben
den Ausdruck seiner Bewegung k). Bei Michelangelo kommt so etwas
nicht vor. An seinen Körpern kann man jedes Stück für sich allein
betrachten.
Dies
Wäre
111111
doch
noch
immer
ein
feinerer
Unterschied
und ein solcher, der sich auch fast nur auf die vorher besprochene
Verschiedenheit in der Behandlung der Oberfläche des Körpers
zurückführen liesse, jedenfalls sehr nahe mit ihr zusammenhängt.
Denn, wenn die festeren Formen der Knochen und Muskeln bei den
Griechen mehr, bei Michelangelo Weniger durch die weichen Lagen
von Haut und Fett verdeckt sind, so kann sich auch der Wechsel
der festen Stücke und der Biegungen an den Gelenken bei den
Griechen ein wenig verwischen, wie auch in der Natur die Stellen,
wo ein Knochen gegen den andern sich absetzt, nicht deutlich auf-
fallen; bei Michelangelo aber treten die scharfen Ecken, welche an
den Gelenken die festen Drehpunkte der Bewegungen darstellen, so
hart zu Tage, dass man sie mit den Augen gleichsam durchfühlt, wie
der Arzt es mit dem tastenden Finger thut, wenn er sich von der
richtigen Lage der in dem Gelenke zusammenstossenden Knochen
überzeugen will. Derselbe Unterschied einer mehr oder weniger
1') Ich bin neuerlich bei Gelegenheit der Venus von Melos (Zeitschrift für
bildende Kunst Mai-Juli 1886) auf dies Thema zurückgekommen und habe an
dem Gesicht dieser Venus die starke Abweichung desselben von der reinen
Symmetrie demonstrirt. Mein Collcge Hasse hat davon Veranlassung genommen,
mir heftig zu widersprechen (Archiv für Anatomie, 1887) und behauptet, jede
derartige Ungleichheit beider Seiten eines Gesichtes sei nicht als eine Ab-
weichung von der Norm, sondern vielmehr als ein Zug der höchsten realistischen
Naturwahrheit in der Kunst zu betrachten, weil es ja bekanntlich auch im
Leben sehr bedeutend asymmetrische Gesichter giebt. Ich gebe dies zu, wo es
sich um das Vorkommen von dergleichen Zügen bei Portraitbüsten handelt.
kann sehr wohl sein, dass z. B. Demosthenes so einen etwas schiefen Mund ge-
habt hat, wie Wir ihn an seiner Büste in München sehen. Ich glaube aber
nimmermehr, dass ein Künstler einer Idcalfigur deshalb die Nase so schief ins
Gesicht gesetzt hatte, wie ich es an der Venus von Melos gezeigt habe, bloss
weil zufällig sein Modell eine schiefe Nase hatte, und bei Götter-Büsten, die man
gerade von vorn ansehen soll, wie die Hera Ludovisi oder den Zeus Otricoli,
kommt dergleichen nicht vor. Also muss es wohl auch, wo es vorkommt, einen
andern Grund haben, und da scheint mir die eben bereits Versuchte Erklärung,
welche auch auf die Venus von Melos passt, immer noch die natürlichste zu
sein, dass die Künstler (bewusst oder unbewusst) die Gestalt des Kopfes sich
etwas nach der Seite hin haben biegen lassen, nach welcher er auch hin ge-
wendet ist.