Menschen des Nüchelangelo
Die
Hauptzug der Grösse Michelangelos gesehen worden. Freilich wäre
dies an sich nur eine technische Aeusserlichkeit, da dergleichen in
der höheren Kunst doch nur Mittel zum Zwecke ist. Unsere modernen
Kunstkritiker lieben es deshalb, dergleichen fast zu ignoriren und sich
mehr nur mit den hohen Ideen zu beschäftigen, welche aus den
Kunstwerken hervorleuchten, zu untersuchen, woher die Künstler sie
gehabt, wie sie in ihrer Zeit gelegen haben u. s. w., statt bei solchen
Aeusserlichkeiten, wie für einen" Bildhauer die Kenntniss und "Dar-
stellung der anatomischen Formen ist, zu verweilen. So hat denn
Hermann Grimm in seinem grossen vielgerühmten Werke über Michel-
angelo dieser Seite in seiner Entwickelung und Kunst kaum zu ge-
denken für nöthig gehalten. Wenn aber das Wesen der Kunst darin
besteht, dass sie innerliche Stimmungen und Gedanken mit äusser-
lichen Formen und" Bildern zu lebendiger Anschauung bringt, so sind
freilich jene das letzte Ziel, diese aber das nothwendige Mittel dazu,
und um, wie es gelungen sei, zu beurtheilen, sollte man denken, Ware
es ebenso nothwendig, die Gestalten, mit deren Dahinstellung der
Künstler durch unser Auge auf unsere Phantasie einwirkt, als solche,
wie er sie behandelt hat, zu verstehen, als sich der letzten "Wirkung,
die er damit hervorgebracht hat, bewusst zu sein. Und wenn die
Aesthetiker es lieben, mit der Abschilderung dieser letzten Wirkung
des richtig lierausgefühlten Eindruckes der Kunstwerke ihre Betrach-
tung zu beginnen, und dann nicht immer und nur 1nit Mühe zueiner
Würdigung der äusseren Mittel sich herablassen, mit denen dieselbe
erreicht ist, so ist es wohl nicht unerlaubt, iwenn Ünsereiner einmal
hiervon gerade ausgeht und versucht, ob er nicht so auch etwas zur
Ergänzung des Verständnisses jener, am Ende freilich rein idealen
Wirkung beitragen kann, immer auf die Gefahr, zu sehr am Aeusser-
lichen kleben zu bleiben.
Auf die nicht nur aus unmittelbarer Anschauung im Leben, son-
dern mit Hülfe von Studien an der Leiche gewonnene Bekanntschaft
mit dem Gefüge des menschlichen Körpers lässt sich nun zunächst,
um mit dein Aeusserlichsten zu beginnen, schon die Art, wie Michel-
angelo die Gestalt der Oberfläche desselben im Gegensatze zu den Griechen
behandelt, zurückführen; und zwar sind ihm diese deswegen, was
Naturwahrheit in der feinen Modellirung'der Oberfläche betriffgübgy-
legen. Sie hielten Sich nicht nur, wie es der moderne Künstler