Gesichtes.
Der Ausdruck
ziehen und uns durch die Folgen selten enttäuscht finden. Man darf
das freilich vor verständigen Leuten nicht offen aussprechen. Wer
einem „auf sein ehrliches Gesicht" Geld leiht, gilt als ein schlechter
Haushalter, und wer sich vollends in ein liebliches Gesicht verliebt
und daraufhin das Glück seines Lebens auf Den- oder Diejenige setzt,
die dasselbe als Aushängeschild ihres inneren Menschen vor sich her-
tragen, ist in den Augen der guten Gesellschaft sehr ungebildet oder
verrückt. Und doch geht es im Grunde im Leben sehr oft so zu und
ist auch ganz recht und fällt auch gut aus. Aeussere Eindrücke sind
es doch, Welche zuerst Neigung oder auch Abneigung unter den
Menschen herbeiführen und dann schon nicht leicht durch entgegen-
stehende Wahrnehmungen oder Erwägungen entkräftet werden. Man
sucht sich freilich in den so entstandenen Empfindungen bei der Liebe
durch einige gebildete Gespräche in Thee- und Tanzgesellschaft, beim
Hass durch Ermittelung von übeln Nachrichten über den, den man
nicht leiden kann, zu bestärken; aber die Wahre Bestätigung bringt
oft lange nachher das Glück oder der Kampf des Lebens.
Wenn dem aber so ist, dann crgiebt sich für unser Streben nach
Erkenntniss die Frage, ob sich die Richtigkeit des Glaubens an die
Eindrücke, die wir von anderen Menschen mit unsern Augen in uns
aufnehmen, nicht beweisen, oder wenigstens begreiflich machen lässt.
Nicht als ob ihre Zuverlässigkeit dadurch für den Gebrauch sehr er-
höht, oder durch richtige Begründung im Gebrauch berichtigt werden
würde; auch nicht einmal mit dem Nutzen, den etwa die Kunst des
Malers oder des Schauspielers daraus ziehen könnte, um die gewinnenden
oder abstossenden Eindrücke, die im Leben die Menschen aufeinander
machen, in der nachahmenden Darstellung richtig wiederzugeben;
sondern nur einfach zur Befriedigung des Bedürfnisses, das wir haben,
uns von Wirkungen, die wir unwillkürlich empfinden, auch Rechen-
schaft zu geben. Aber das Leben und die Kunst, der es gelingt, ahn-
liche Eindrücke wie im Leben hervorzubringen, müssen das Material
und die Beispiele liefern, deren bereits vorliegende Wirkung wir uns
versuchen, in ihrem Grunde klar zu machen. Nur wird natürlich
nicht gerade der am meisten hierzu berufen sein, der im Leben selbst
eben stark ergriffen und betheiligt ist; sondern vielmehr kann dies
nur der aufmerksame, unbetheiligte, aber doch Theil nehmende Zu-
schauer, und die bewährtesten Beobachter in dieser Richtung sind