Der
Ausdruck
des
Gesichtes,
insbesondere
des
Blickes. ß)
Man sagt: "der Glaube macht selig". Man will damit in der
Regel spöttischerweise sagen, dass ein Glaube, eine Ueberzeugung,
auf die ein Mensch sich so fest und ruhig verlässt, dass ihn dies zu-
frieden und glücklich macht, doch sehr unbegründet sein kann. Es
liegt aber immerhin unwillkürlich auch die Anerkennung 1nit darin
ausgesprochen, dass eben der Werth, den der Glaube, das Vertrauen
auf eine Ueberzeugung für den hat, welcher daran festhält, nicht
davon abhängt, was Andere von der Richtigkeit derselben halten, und
0b sich dieselbe für Andere oder überhaupt als richtig beweisen lässt.
Zu den Ueberzeugungen, an die viele Menschen sich gläubig
halten und dadurch beglückt werden, gehört der Glaube an die Ein-
drücke, die unsere Mitmenschen durch ihre äussere Erscheinung auf
uns machen, und auf welche wir uns mit dem Vertrauen verlassen,
dass sie ein Spiegel ihres Innern sind, dass wir ihnen die Gesinnungen
zutrauen können, welche wir in diesem Spiegel zu erblicken meinen.
Auch dieser Glaube macht selig, auch Wenn wir seine Richtigkeit
nicht beweisen können, indem wir uns doch auf ihn verlassen, mit
Vertrauen auf ihn uns den Menschen hingeben oder von ihnen zurück-
4') Dieser "Vortrag" ist in dieser Form nicht gehalten; aber er stellt nur
die erneuerte Umarbeitung von zwei älteren über dasselbe 'I'hema dar, welche
auch bereits im Druck erschienen sind, der erste, gehalten in Marburg 1860
anonym unter dem Titel: "die Schönheit und Anmuth des menschlichen An-
gesichts" im Morgenblatt für gebildete Leser, Stuttgart, Cotta, 1862. Nr. 39 E,
der zweite, gehalten in Schwerin 1869, unter dem Titel "das Auge und der
Blick". Rostock, E. Kuhn (jetzt Werther) 1871.